Der am 1. Juli 1867 förmlich begründete Norddeutsche Bund ist ein Bundesstaat und liegt in Nord- und Mitteldeutschland. Er grenzt im Norden an Dänemark sowie die Nord- und Ostsee. Im Osten liegt das Kaiserreich Russland. Die südliche Grenze bilden Österreich-Ungarn, das Königreich Bayern, die hessen-darmstädtischen Provinzen Rheinhessen und Starkenburg, die bayerische Pfalz sowie Frankreich. Im Westen befinden sich das Großherzogtum Luxemburg sowie die Königreiche Belgien und Niederlande.
1867 hat die Staatengemeinschaft 23 Mitglieder. Im Gegensatz zum Deutschen Bund ist das Königreich Preußen nun mit allen Provinzen vertreten, das Großherzogtum Hessen-Darmstadt hingegen nur mit der Provinz Oberhessen. Zudem sind Bundesmitglieder das Königreich Sachsen, die Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg und Sachsen-Weimar-Eisenach, die Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Braunschweig, Anhalt und Lauenburg, die Fürstentümer Reuß ältere Linie (Reuß-Greiz), Reuß jüngere Linie, Waldeck, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Lippe-Detmold und Schaumburg-Lippe sowie die Freien Städte Lübeck, Bremen und Hamburg.
Sitz der Bundesbehörden sowie von Bundesrat und Reichstag ist Berlin. 1871 geht der Norddeutsche Bund, erweitert um die Süddeutschen Staaten, im Deutschen Reich auf.
Für den Norddeutschen Bund wird 1867 eine Fläche von 7.536 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 410.991km².
Das Gebiet des Norddeutschen Bundes erstreckt sich von der Nord- und Ostsee im Norden aus über die Norddeutsche Tiefebene und die Gebirge Sudeten, Thüringer Wald, Harz, Rheinisches Schiefergebirge, Vogelsberg, Taunus und Rothaargebirge bis zum Main als südlichem Grenzfluss. Höchste Erhebung ist die 1.603m hohe Schneekoppe im schlesischen Riesengebirge, dem höchsten Teil der Sudeten.
Die größte Insel des Norddeutschen Bundes ist das preußische Rügen.
Die wichtigsten Flüsse sind Ems, Weser, Elbe, Oder, Weichsel und Memel im nördlichen Teil sowie Rhein, Mosel und Main im Süden des Bundesgebiets.
Das Klima ist insgesamt gemäßigt, in den Nord- und Ostseegebieten feucht und veränderlich und in den Gebirgsgegenden etwas rauer.
Der im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 bereits erkennbare Konflikt zwischen Österreich und Preußen, den beiden Hegemonialmächten des Deutschen Bundes, kommt 1866 offen zum Ausbruch. Die Spannungen in der schleswig-holsteinischen Frage führen zum Einrücken preußischer Truppen im von Österreich verwalteten Herzogtum Holstein, wonach auf Betreiben Österreichs die Bundesexekution gegen Preußen verhängt wird. Die von Otto von Bismarck (1815-1898) geleitete preußische Politik bringt daraufhin nicht nur einen Bundesreformplan ein, der Österreich aus dem Deutschen Bund ausschließen soll, es gelingt ihm auch, die Habsburgermonarchie außenpolitisch zu isolieren. Frankreich und Russland bleiben in dem nun ausbrechenden Krieg neutral, während Italien ein Bündnis mit Preußen gegen Österreich schließt.
Am 12. Juni 1866 bricht Preußen die diplomatischen Beziehungen zu Österreich ab, tritt am 14. Juni vom Bundesvertrag zurück, den es für nichtig erklärt, stellt am 15. Juni 1866 die kriegsauslösenden Ultimaten gegen Sachsen, Hannover und Hessen-Kassel und lädt die Klein- und Mittelstaaten Norddeutschlands ein, an Stelle des erloschenen Deutschen Bundes einen neuen Bund zu schließen.
Auf österreichischer Seite stehen im Deutschen Krieg neben den Königreichen Hannover, Sachsen, Bayern und Württemberg, die kleineren Staaten Baden, Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel, Nassau, Sachsen-Meiningen, Liechtenstein, Reuß ältere Linie (Reuß-Greiz) sowie die Freie Stadt Frankfurt.
Am 3. Juli 1866 gelingt Preußen bei Königgrätz der entscheidende Sieg über Österreich. Bereits drei Wochen später kommt es in Nikolsburg zum Abschluss eines Vorfriedens, den der Friede von Prag am 23. August 1866 bestätigt. Zwar wird der Territorialbestand Österreichs im Wesentlichen gewahrt, es muss jedoch den endgültigen Ausschluss aus der deutschen Staatengemeinschaft hinnehmen und zulassen, dass das durch die Annexion Hannovers, Kurhessens, Nassaus und Frankfurts sowie die Übernahme Hessen-Homburgs vergrößerte Preußen den Norddeutschen Bund nördlich des Mains begründet. Noch während des Deutschen Krieges hatte Bismarck mit den Verbündeten norddeutschen Kleinstaaten den deutschen Bündnisvertrag, das so genannte Augustbündnis vom 18. August 1866, geschlossen. Es sah bei Wahrung des Besitzstandes die Begründung eines Bundesstaates aufgrund des preußischen Reformvorschlags vom 10. Juni 1866 bei Mitwirkung eines konstituierenden Reichstags sowie die Unterstellung der Truppen unter den König von Preußen vor. Nach den Friedensverträgen von Berlin traten auch Hessen-Darmstadt für sein Gebiet nördlich des Mains, das Königreich Sachsen, Sachsen-Meiningen und Reuß ältere Linie (Reuß-Greiz) dem Bündnisvertrag bei.
Der Norddeutsche Bund ist ein Bundesstaat. Die am 16. April 1867 vom Reichstag des Norddeutschen Bundes verabschiedete Verfassung, die weitgehend auf den preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck (1815-1898) zurückgeht, verbindet zentralistische mit föderativen Elementen.
In Anknüpfung an den alten Bundestag wird der Bundesrat als Zentralbehörde geschaffen. Das Bundespräsidium steht erblich dem König von Preußen zu. Der Bundeskanzler ist nur ihm gegenüber verantwortlich, das heißt nicht vom gewählten Reichstag abhängig. Die Mitglieder des Reichstags gehen aus allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlen hervor. Wahlberechtigt sind alle Männer ab 25 Jahren, wobei das aktive Wahlrecht für Soldaten während des Wehrdienstes ruht. Ausgeschlossen sind neben Frauen auch Personen, die Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln beziehen und unter Vormundschaft oder in Konkurs stehen. Der Reichstag ist auf die Legislative beschränkt und übt gemeinsam mit dem Bundesrat die Bundesgesetzgebung aus. Im norddeutschen Reichstag sind die Parteien der rechten Mitte, darunter die den Kurs Bismarcks unterstützende Nationalliberale Partei, am stärksten vertreten. Sie haben das Übergewicht über die rechten und linken Gruppierungen sowie über die Vertreter der nichtdeutschen Nationalitäten (Polen und Dänen). Die Sozialdemokraten sind nur durch den sächsischen Abgeordneten August Bebel (1840-1913) im Reichstag vertreten.
Die von der nationalliberalen und freikonservativen Mehrheit des am 10. September 1867 eröffneten Reichstags geprägte gesetzgebende Tätigkeit führt in Zusammenarbeit mit Bismarck als Kanzler des Norddeutschen Bundes zur grundlegenden Neuregelung der Strafgerichtsbarkeit, der Zoll- und Handelsgesetzgebung, der Freizügigkeit, der Gewerbefreiheit, der Gleichstellung der Konfessionen, des Verkehrswesens sowie der Post und Telegraphie. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes wird 1871 größtenteils als Verfassung des Deutschen Reichs übernommen.
Am 18. August 1866 schließt Preußen einen Bündnisvertrag mit 15 nord- und mitteldeutschen Staaten ab. Diese Staaten können als Gründungsmitglieder des Norddeutschen Bundes gelten: Sachsen-Weimar-Eisenach, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe-Detmold, Lübeck, Bremen und Hamburg. Am 21. August folgen Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Am 3. September 1866 schließt sich Hessen-Darmstadt für die nördlich des Mains gelegene Provinz Oberhessen dem Norddeutschen Bund an. Am 26. September tritt Reuß ältere Linie (Reuß-Greiz), am 8. Oktober 1866 Sachsen-Meiningen und schließlich am 21. Oktober 1866 das Königreich Sachsen dem Norddeutschen Bund bei.
Als 23. Staat wird das am 14. August 1865 an Preußen verkaufte und seitdem in Personalunion verbundene Herzogtum Lauenburg gezählt. In der Präambel der Bundesversammlung wird Lauenburg zwar nicht gesondert genannt und somit werden nur 22 Bundesmitglieder angegeben. Der § 5 des Bundeswahlgesetzes von 1869 führt dagegen Lauenburg ausdrücklich separat auf.
Um den sicherheitspolitischen Rahmen des Deutschen Bundes auch nach dessen Auflösung zu wahren schließt Bismarck zeitgleich mit den Friedensverträgen geheime Schutz- und Trutzbündnisse mit Bayern (22.8.1866), Württemberg (13.8.1866), Baden (17.8.1866) und Hessen-Darmstadt (11.4.1867). In ihnen übertragen die betreffenden Souveräne ihre militärischen Befugnisse und Kommandoverhältnisse im Falle eines Krieges der preußischen Krone, ohne dafür ihre formell "international unabhängige Existenz" nach Art. 4 des Prager Friedens aufzugeben. Gleichzeitig erfolgt eine Einigung über die Kompetenzverteilung bezüglich der Bundesfestungen: Landau wird eine bayerische, Ulm eine württembergische und Rastatt eine badische Festung. Die im Großherzogtum Hessen gelegene Festung Mainz fällt unter die militärrechtliche Kompetenz Preußens. Die Luxemburger Bundesfestung wird nach dem Londoner Vertrag vom 11. Mai 1867 über die Neutralität Luxemburgs aufgehoben.
Nach der Verfassung des Norddeutschen Bundes wird die preußische Militärgesetzgebung für das gesamte Bundesgebiet eingeführt und das Militärwesen einschließlich der Kriegsmarine in die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes überführt. Der preußische König als Bundespräsident erhält ein Vetorecht gegen Wehrgesetze, für den Fall, dass die Legislative das bestehende Wehrsystem entgegen den preußischen Absichten verändern will. Die Friedenspräsenzstärke des Heeres wird auf ein Prozent der Bevölkerung festgelegt. Desgleichen soll für die Heeresausgaben jeder Einzelstaat pro Kopf jedes seiner Soldaten einen Pauschalbetrag von 225 Talern pro Jahr zur Verfügung stellen. Beide Regelungen gelten zunächst befristet bis zum 31. Dezember 1871.
Für den Norddeutschen Bund errechnet sich auf Basis der Bevölkerungszahlen der Mitgliedstaaten für 1867 eine Gesamtbevölkerungszahl von 29.572.511 (GIS-Wert). Bis 1870 erhöht sich die Einwohnerzahl um 3,6% auf 30.627.126 (GIS-Wert). Das Stadt-Land-Verhältnis liegt nach Zahlen von 1858 bei rund 30% Stadtbewohnern.
In konfessioneller Hinsicht gehören ebenfalls nach Zahlen von 1858 rund 71% der evangelischen, 28% der katholischen und 1% der jüdischen Glaubensrichtung an.
Der Norddeutsche Bund bleibt nur ein kurzes Intermezzo im Prozess der nationalstaatlichen Einigung Deutschlands. Infolge der französischen Kriegserklärung vom 19. Juli 1870 treten die süddeutschen Armeen gemäß den 1866/67 geschlossenen Schutz- und Trutzbündnissen mit den preußisch-norddeutschen Kontingenten unter preußischen Oberbefehl. Der schnelle und durchgreifende militärische Erfolg über Frankreich wirkt wie ein Magnet auf die süddeutschen Verbündeten. Im September 1870 werden erste Gespräche zwischen den süddeutschen Staaten und dem Norddeutschen Bund geführt und noch vor Kriegsende kommt es am 18. Januar 1871 mit der Kaiserproklamation im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles zur Gründung des Deutschen Reichs.
Sowohl die Verfassung, als auch die Institutionen des Norddeutschen Bundes werden fast unverändert als Reichsverfassung und Reichsinstitutionen übernommen. Auch die Flagge des Norddeutschen Bundes wird als Reichsflagge weitergeführt.
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