III Dokmentation und Datensätze

Staatenwelten

Mitteldeutscher Handelsverein (1828-1833)

 

Gebiet

Der Mitteldeutsche Handelsverein ist eine Zoll- und Handelsvereinigung deutscher Bundesstaaten Nord- und Mitteldeutschlands, die sich am 24. September 1828 in Kassel auf Initiative der Königreiche Sachsen und Hannover sowie dem Kurfürstentum Hessen-Kassel bildet. Der Mitteldeutsche Handelsverein verfügt nicht über einen geschlossenen Wirtschaftsraum. Seine nördliche Grenze bildet die Nordsee, im Nordosten grenzen die Freie und Hansestadt Hamburg, das Herzogtum Lauenburg und das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin an. Im Osten befindet sich das Königreich Preußen, im Süden das Kaisertum Österreich, das Königreich Bayern und das Großherzogtum Hessen-Darmstadt, und im Westen Preußen und das Königreich der Vereinigten Niederlande.
Gründungsmitglieder sind neben Sachsen, Hannover und Hessen-Kassel die Großherzogtümer Oldenburg und Sachsen-Weimar-Eisenach, die Herzogtümer Braunschweig, Nassau, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg und Sachsen-Coburg und Gotha, die Landgrafschaft Hessen-Homburg, die Fürstentümer Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Reuß ältere Linie (Reuß-Greiz), Reuß-Schleiz, Reuß-Lobenstein und Ebersdorf sowie die freien Städte Bremen und Frankfurt.
Mit den Gründungsverträgen zum Deutschen Zollverein 1833 löst sich der Mitteldeutsche Handelsverein auf.

 

Geographie/Topographie

Für den Mitteldeutschen Handelsverein ergibt sich 1828 eine Fläche von 1.648,4 Quadratmeilen. Der GIS-Wert beträgt 75.227km².Das Gebiet des Mitteldeutschen Handelsvereins erstreckt sich in nord-südlicher Richtung von der Nordsee und dem Norddeutschen Tiefland über den Teutoburger Wald und den Harz hin zur Gebirgskette die sich vom Westerwald und dem Taunus im Westen aus über Ausläufer der Rhön hin zum Thüringer Wald und zum Erzgebirge im Osten zieht. Höchste Erhebung ist der 1.214m hohe Fichtelberg im sächsischen Erzgebirge.
Die wichtigsten Flüsse im Vereinsgebiet sind Ems, Weser, Elbe, Rhein, Main und Saale.
Das Klima ist in den Gebirgsgegenden rau, in der Norddeutschen Tiefebene eher mild und an der Küste sowie in den Marschgebieten und Mooren feucht.

 

Vorgeschichte/Aufbau und Struktur

Die Bildung des Preußisch-Hessischen Zollvereins 1828 führt zu Abwehrreaktionen verschiedener deutscher Mittel- und Kleinstaaten, die den wachsenden wirtschaftspolitischen Einfluss Preußens im Deutschen Bund nicht hinnehmen wollen. Bereits am 25./26. März 1828 verbünden sich das Königreich Sachsen mit Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Coburg und Gotha in der "Punktuation von Oberschöna" gegen Preußen und fordern eine eigene handelspolitische Vereinigung aller "neutralen Staaten". Unterstützt durch England und Österreich, die um jeden Preis eine preußische Hegemonie in Deutschland zu verhindern suchen, einigen sich Sachsen, Hannover, Kurhessen, Frankfurt, Nassau sowie die thüringischen Staaten Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha und Schwarzburg-Rudolstadt am 21. Mai 1828 in Frankfurt, drei Jahre lang keinem anderen Zollsystem beizutreten, um so eine Erweiterung des preußisch-hessischen Zollverbunds zu verhindern. Nach und nach treten der Frankfurter Deklaration Braunschweig, Oldenburg, Bremen, Hessen-Homburg sowie die übrigen thüringischen Staaten Sachsen-Meiningen, Reuß ältere Linie (Reuß-Greiz), Reuß-Lobenstein und Ebersdorf, Reuß-Schleiz und Schwarzburg-Sondershausen bei und beginnen am 22. August in Kassel mit den Verhandlungen zur Gründung eines Zoll- und Handelsvereins. Der am 24. September 1828 in Kassel geschlossene "Vertrag zur Beförderung des freien Handels und Verkehrs" bildet die Grundlage des Mitteldeutschen Handelsvereins. Darin verpflichten sich die Vertragspartner mit keinem Nichtmitgliedstaat in einen Zollverbund einzutreten. Lediglich Enklaven ist der Zollanschluss an ein fremdes System gestattet, wodurch die preußischen Enklavenverträge mit den mitteldeutschen Staaten von der Vereinsgründung unberührt bleiben. Des Weiteren vereinbaren die Mitglieder, die bestehenden Transitzölle untereinander nicht weiter anzuheben und den gegenseitigen Handel zu erleichtern.
Die Vertragslaufzeit entspricht derjenigen des Preußisch-Hessischen Zollvereins und sollte am 31. Dezember 1834 enden. Gelähmt durch unüberbrückbare Gegensätze zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten sowie wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Sanktionen von preußischer Seite ausgesetzt, war dem Mitteldeutschen Handelsverein jedoch nur eine kürzere Lebensdauer beschieden.

 

Mitgliedschaft/Territoriale Entwicklung

Gründungsmitglieder des Mitteldeutschen Handelsvereins sind 18 nord- und mitteldeutsche Staaten des Deutschen Bundes. Zunächst mit ihren gesamten Territorien vertreten sind Sachsen, Hannover, Hessen-Kassel, Hessen-Homburg, Oldenburg, Braunschweig, Nassau, Bremen, Frankfurt, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha, Reuß ältere Linie (Reuß-Greiz), Reuß-Schleiz sowie Reuß-Lobenstein und Ebersdorf. Sachsen-Weimar-Eisenach tritt ohne die Exklaven Allstedt und Oldisleben bei, Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen sind ohne die jeweilige Unterherrschaft um die Gebiete Sondershausen und Frankenhausen vertreten, die dem preußischen Zollsystem angehören.
Mitgliedschaften von Landesteilen in anderen Zollvereinen schwächen den Mitteldeutschen Handelsverein: Sachsen-Coburg und Gotha schließt sich 1829 für die Exklave Volkenroda und 1830 für das Fürstentum Lichtenberg dem preußischen Zollsystem und damit dem Preußisch-Hessischen Zollverein an. 1831 tritt es für die Exklaven Nassach, Erlsdorf und Königsberg dem bayerischen Zollsystem und damit dem Bayerisch-Württembergischen Zollverein bei. Sachsen-Weimar-Eisenach wird 1831 für die Exklave Lichtenberg Mitglied des Bayerisch-Württembergischen Zollvereins. Für das Amt Meisenheim schließt sich die Landgrafschaft Hessen-Homburg 1830 dem preußischen Zollsystem an. Der oldenburgische Landesteil Fürstentum Birkenfeld kommt ebenfalls 1830 zum Preußischen Zollsystem.
Ein Ergänzungsabkommen vom 11. Oktober 1829 verlängert den Vertrag des Mitteldeutschen Handelsvereins zwar bis 1841, aber der Anschluss Kurhessens an den preußisch-hessischen Zollverband am 25. August 1831 und die Gründung des Thüringischen Zoll- und Handelsvereins am 10. Mai 1833 lassen den Handelsverein endgültig auseinanderbrechen. Die thüringischen Staaten, Hessen-Kassel und Sachsen sind Gründungsmitglieder des Deutschen Zollvereins. Hannover, Braunschweig und Oldenburg gehen zunächst im 1835 gegründeten Steuerverein auf.

 

Bevölkerung und Wirtschaftspolitik

Im Gründungsjahr 1828 beläuft sich die Bevölkerungszahl des Mitteldeutschen Handelsvereins auf rund 5,4 Millionen.
Die gemeinsame Wirtschaftspolitik des Mitteldeutschen Handelsvereins beschränkt sich darauf, dass für fremde Güter nach Preußen höhere Durchgangszölle erhoben werden. Ein einheitliches Zolltarifsystem kommt ebenso wenig zustande wie der vollständige Abbau der inneren Handelsschranken. Größere handelspolitische Ziele, wie der freie Verkehr mit Lebensmitteln und der Bau neuer eigener Verkehrsstraßen, die preußisches Gebiet umgehen sollen, werden zwar ins Auge gefasst, aber nicht realisiert. Der Handelsverein als Gesamtheit kommt somit über handelspolitische Absichtserklärungen nicht hinaus. Lediglich einzelne Mitgliedsstaaten vereinbaren in Sonderverträgen untereinander erste umfassende gegenseitige Handelserleichterungen. So schließen Hessen-Kassel, Hannover, Oldenburg und Braunschweig am 27. März 1830 den Einbecker Vertrag mit dem Ziel, ein gemeinschaftliches Eingangssteuer- und Zollsystem einzuführen und auf diese Weise nicht nur einen ausgedehnten Markt für inländische Waren zu gewinnen, sondern auch den möglichst freien Verkehr mit dem Ausland zu sichern. Der Vertrag tritt allerdings nicht in Kraft, da die Vertragspartner keine Einigung hinsichtlich des Außenzolls erzielen, und Hessen-Kassel sich kurz darauf wieder aus dem Vertrag zurückzieht.

 

Verwendete Literatur