III Dokmentation und Datensätze

Staaten

Waldeck (1820-1914)

 

Staatsgebiet

Das Fürstentum Waldeck liegt in Nordwestdeutschland und besteht aus den zwei getrennt voneinander liegenden Landesteilen Fürstentum Waldeck und Grafschaft Pyrmont. Pyrmont ist bis 1849 in Personalunion, danach in Realunion mit Waldeck verbunden und grenzt an Hannover, Braunschweig, Preußen und Lippe-Detmold. Der Waldecker Landesteil liegt zwischen der preußischen Provinz Westfalen und Hessen-Kassel. Das Fürstentum Waldeck hat keine Exklaven. Innerhalb des Staatsgebietes befinden sich die zu Hessen-Darmstadt gehörenden Enklaven Eimelrod, Höringhausen und Vöhl. Sitz der Regierung und Residenz des Fürsten ist Arolsen. Hauptstadt der Grafschaft Pyrmont ist Pyrmont.

 

Geographie/Topographie

Für das Gebiet des Fürstentums Waldeck mit Pyrmont wird 1836 eine Fläche von 21,66 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 1.079km². Das Fürstentum Waldeck besteht aus zwei geographisch getrennten Territorien, dem eigentlichen Fürstentum Waldeck und der Grafschaft Pyrmont. Der Waldecker Landesteil wird von Teilen des rheinisch-westfälischen Schiefergebirges durchzogen und gehört zu den am höchsten gelegenen Landstrichen zwischen Rhein und Weser. Die höchsten Erhebungen sind der Hegekopf (846m), der Ettelsberg (834m) und der Asten (812m). Der Pyrmonter Landesteil besteht aus einem vom westlichen Wesergebirge umschlossenen Tal.
Die Flüsse gehören zum Flussgebiet der Weser. In Waldeck sind dies die Eder mit der Werbe, Itter und Aar sowie die Diemel mit der Twiste. Durch Pyrmont fließt die Emmer. Der Boden ist nur in den Flusstälern fruchtbar. Mineralquellen befinden sich in Niederwildungen und Pyrmont. Beide Landesteile haben gute und ausgedehnte Waldungen (meist Hochwald), die 1904 fast 40% des Landes einnehmen. Das Klima ist zwar gemäßigt, wegen der hohen Lage des Landes aber rauer als in dem benachbarten Hessen. In Pyrmont herrscht mildes Klima.

 

Geschichte bis 1815/20

Im 12. Jahrhundert gelangte das Territorium des späteren Fürstentums Waldeck in den Besitz der Grafen von Schwalenberg, einem altsächsischen Adelsgeschlecht, die sich 1180 den Namen "Waldeck" nach der seit 1120 belegten Burg Waldekke über der Eder, beilegten. Ab 1397 erfolgte in mehreren Landesteilungen eine Zersplitterung der Grafschaft in zumeist zwei Linien, die erst mit dem 1687 erlassenen Statut "Pactum primogeniturae Waldeccense" endete, wonach die gesamte Grafschaft Waldeck künftig in einer Hand vereinigt bleiben sollte. Aufgrund wirtschaftlicher Probleme und Überschuldung verpfändete die Linie Waldeck 1438 ihr Gebiet der Landgrafschaft Hessen als Lehen. Diese lehnsrechtliche Abhängigkeit von Hessen-Kassel blieb bis 1847 bestehen. Am 6. Januar 1712 wurde die Grafschaft Waldeck zum Fürstentum erhoben.
Während der Regierungszeit von Fürst Friedrich Anton Ulrich (1676-1728) zu Beginn des 18. Jahrhunderts nahm die Verschuldung des Fürstenhauses und damit die Abhängigkeit von Hessen-Kassel erheblich zu. Neben neuen Schlössern in Pyrmont und Friedrichstein wurde vor allem der Schlossbau in Arolsen von 1714 bis 1720 mit einem hohen finanziellen Aufwand betrieben. Durch Erbvertrag fiel Pyrmont 1625 dem Grafen von Waldeck als Domanium zu, ohne aber mit der Grafschaft bzw. dem Fürstentum Waldeck staatsrechtlich verbunden zu sein. Am 18. April 1807 trat Waldeck dem Rheinbund bei Von 1812 bis 1849 werden Waldeck und Pyrmont in Personalunion von den Waldecker Fürsten regiert.

 

Staats- und Regierungsform, Herrscherhaus

Das Fürstentum Waldeck ist eine Monarchie. Die regierenden Fürsten sind Georg Friedrich Heinrich (reg. 1813-1845), Georg Victor (reg. (1845) 1852-1893) und Friedrich (reg. 1893-1918). Von 1845 bis Januar 1852 übernimmt Fürstin Emma (1802-1858) die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn. 1814 führt Georg Friedrich Heinrich eine neue, von den Ständen bekämpfte Verfassung ein, die auch die Grafschaft Pyrmont einschließen soll. Aus Beratungen mit Ritterschaft und Städten geht dann am 19. April 1816 die Verfassung hervor, die bis 1848 Geltung behält und den Pyrmonter Landesteil wieder ausschließt. Die Landesvertretung besteht aus Vertretern der Ritterschaft, der Städte und der Bauern. Sie hat das Steuerbewilligungsrecht und Anteil an der Gesetzgebung. Die vollziehende Behörde der ständischen Beschlüsse ist ein aus ihrer Mitte gewählter engerer Ausschuss, die landständische Deputation.
1848 tritt ein konstituierender Landtag zusammen und erarbeitet das liberale "Staatsgrundgesetz" vom 23. Mai 1849, das unter anderem Ministerverantwortlichkeit, Freiheit der Presse und Besteuerung der Kirchengüter vorsieht und die bislang in Personalunion regierten Landesteile Waldeck und Pyrmont zu einem Staat vereinigt. Der Grundrechtekatalog der Paulskirchenverfassung wird der von Fürstin Emma proklamierten Verfassung vorangestellt. Fürst Georg Victor, der am 14. Januar 1852 volljährig und damit regierungsfähig wird, erklärt, dass er die Regierung nicht übernehmen werde, solange die "demokratische Verfassung von 1849" Gültigkeit habe. Die daraufhin entworfene neue Verfassungsurkunde vom 17. August 1852 entfernt sich aber nicht mehr als notwendig von den liberalen Grundzügen der Verfassung von 1849. Mit Inkrafttreten des sogenannte Akzessionsvertrages zwischen Preußen und Waldeck im Jahre 1868 wird die gesamte innere Verwaltung Waldecks und Pyrmonts zunächst auf zehn Jahre Preußen übertragen. Die Verwaltung des Stifts Schaaken verbleibt beim Fürsten. Mit dem neuen Akzessionsvertrag von 1877 geht auch die Verwaltung des Stifts Schaaken an Preußen über.

 

Territoriale Aufteilung/Verwaltungsstruktur

Das Fürstentum Waldeck verfügt nicht über Mittelbehörden. Gemäß Verfassungsurkunde vom 19. April 1816 ist Waldeck selbst in fünf Oberjustizämter geteilt: Diemel mit Sitz in Rhoden, Twiste mit Sitz in Arolsen, Werbe mit Sitz in Sachsenhausen, Eder mit Sitz in Nieder-Wildungen und Eisenberg mit Sitz in Korbach. Daneben besteht das Oberjustizamt Emmer mit Sitz in Pyrmont. Die Kreisordnung vom 27. April 1850 gliedert das gesamte Fürstentum in die vier Kreise Twiste (zunächst Sitz in Mengeringhausen, später in Arolsen), Eisenberg (Sitz in Korbach), Eder (Sitz in Bad-Wildungen) und Pyrmont (Sitz in Pyrmont).
Gemeinsam mit dem Herzogtum Braunschweig, den Fürstentümern Lippe-Detmold und Schaumburg-Lippe sowie der Grafschaft Pyrmont ist die Waldeckische Justiz seit 1817 dem Ober-Appellationsgericht zu Wolfenbüttel unterstellt.

 

Bevölkerung

In der Bundesmatrikel von 1818 wird die Bevölkerungszahl von Waldeck und Pyrmont mit 51.877 angesetzt. Die Angaben basieren auf Schätzungen sowie unterschiedlichen und teilweise ungenauen Zählarten, die zumeist auf den Kirchenbüchern basieren. Eine einheitliche Bevölkerungsaufnahme erfolgt erst nach Gründung des Deutschen Zollvereins 1834, wodurch in sämtlichen Zollvereinsstaaten die Volkszählungen in einem Dreijahresrhythmus nach denselben Grundsätzen durchgeführt werden. So liegt die Einwohnerzahl 1852 bei 59.697, von denen ca. 30% in Städten leben und wächst bis 1914 auf 63.000 an. Die Haupt- und Residenzstadt Arolsen hat 1836 ca. 1.900 Einwohner, deren Zahl bis 1900 auf 2.734 anwächst.
Die Konfessionen werden bis zur Jahrhundertmitte bei den Bevölkerungsaufnahmen nicht gezählt. Für das Jahr 1862 werden 96,5% Evangelische, 1,75% Katholiken und 1,75% Juden angegeben. Um 1905 bekennt sich der Großteil der Bevölkerung zur evangelischen Kirche, zudem werden 3,2% Katholiken und 1% Juden angegeben.

 

Wirtschaft

Bodennutzung und Landwirtschaft

Im bäuerlich bestimmten Waldeck sind Ackerbau und Viehzucht seit Jahrhunderten Hauptnahrungsquelle und Grundlage des Wirtschaftswesens. Vorherrschend ist der bäuerliche Klein- und Mittelbetrieb, Großbetriebe sind kaum vorhanden. Hauptprodukte des Ackerbaus sind Hafer, Roggen, Kartoffeln und Futterkräuter. Obst wird besonders in der Edergegend angebaut, der Schwerpunkt liegt Äpfeln und Pflaumen. Rinderzucht ist Hauptnahrungszweig und dient sowohl der Schlachtung als auch der Butter- und Käseproduktion. Die Schafzucht ist bedeutend, Wolle eines der wichtigsten Landeserzeugnisse. Wild wird in den zahlreichen Wäldern viel gejagt. Im Fischfang ist die Forelle vorrangig. 1904 werden in Waldeck und Pyrmont 6.838 Pferde, 31.159 Rinder, 28.440 Schafe, 42.457 Schweine, 8.895 Ziegen und 3.553 Bienenstöcke gezählt.

Bergbau

An Rohstoffen verfügt Waldeck vornehmlich über Kupfer und Eisen. Die Eisenerzförderung beläuft sich 1850 auf 1.200t und erreicht 1893 einen Höchstwert von 42.228t. Zudem gibt es eine Saline in Oesdorf, die um die Jahrhundertwende an die 4.000 Zentner Salz produziert sowie Marmor- und Alabasterbrüche.

Gewerbe und Industrie

Bis in die 1880er Jahre sind so gut wie keine Ansätze einer Industrialisierung im Fürstentum Waldeck vorhanden. Die in Waldeck bedeutende Schafzucht dient als Rohstofflieferant für in Heimarbeit betriebene Wollwebereien, vor allem in Wildungen, Korbach und Sachsenhausen. Ein bedeutender Gewerbezweig ist das Branntweinbrennen, das allerdings nicht fabrikmäßig betrieben wird. Die Eisenherstellung in Waldeck ist mit veralteten Betriebseinrichtungen im Vergleich zur rheinisch-westfälischen Eisenproduktion nicht konkurrenzfähig. Die Roheisenproduktion liegt 1850 bei 433t was im Zeitraum bis 1875 auch der Höchststand ist. Sie endet 1875 mit einer Förderquote von 171t. Die Stahlproduktion beläuft sich 1850 auf 320t und erreicht 1860 mit 493t einen Höchststand. Bis 1883 ist sie auf 62t abgesunken.Die Nutzung der Mineralbäder Pyrmont und Niederwildungen nimmt im Verlauf des 19. Jahrhunderts stetig zu.

Handel

Der Waldecker Handel erreicht im 19. Jahrhunderts aufgrund der ungünstigen Verkehrsanbindung keine größere Ausdehnung. Kurhessen ist als Handelspartner für das Agrarland Waldeck von weitaus größerer Bedeutung als Preußen. Hauptabsatzort ausgeführter Wolle sind die mehrmals im Jahr stattfindenden Wollmärkte in Kassel.
Der nach den Napoleonischen Kriegen stark angestiegene Absatz von waldeckischem Branntwein ins Ausland - über die Hälfte des jährlich in Waldeck produzierten Branntweins von rund 1,5 Millionen Litern setzen die Brenner in kleinen Quantitäten ins Ausland ab - kommt nach Gründung des Deutschen Zollvereins 1834 und der damit verbundenen ausländischen Konkurrenz fast zum Erliegen. Die Ausfuhr des Wildunger Mineralwassers liegt 1904 bei 1,4 Millionen Flaschen.

Währung, Maße, Gewichte

Die Währung entspricht dem kurhessischen Dreißigtalerfuß. Als Längenmaß gilt der waldeckische Fuß à 12 Zoll. Flüssigkeitsmaß ist die Ohm mit 100 Maß zu 1 Liter entsprechend der in Frankfurt am Main gültigen. Handelsgewicht ist das Pfund.

 

Verkehr

Kunststraßen/Chausseen

Das Fürstentum Waldeck liegt sehr abgeschieden und weit entfernt von den großen Verkehrs- und Handelsstraßen.

Eisenbahnen

Erst 1890 erfolgt mit der Linie Warburg-Volkmarsen-Arolsen der Anschluss an das Eisenbahnnetz. Bis 1905 sind auch Wildungen und Korbach angebunden. Pyrmont wird auf einer kurzen Strecke von der Hannover-Altenbekener Bahn berührt.

Wasserstraßen

Weder Waldeck noch Pyrmont verfügen über schiffbare Wasserstraßen.

See- und Binnenhäfen

Weder Waldeck noch Pyrmont verfügen über Binnenhäfen

 

Kultur und Bildung

Mit Übernahme der inneren Verwaltung durch Preußen ab 1868 fungiert das preußische Provinzialschulkollegium in Kassel als Oberschulbehörde für das Fürstentum Waldeck.
Im Jahre 1905 bestehen ein Landesgymnasium in Korbach, ein Realgymnasium in Arolsen, eine Realschule in Niederwildungen sowie 123 öffentliche Stadt- und Landschulen.
Im Residenzschloss Arolsen befinden sich 1905 eine Bibliothek mit Manuskripten, ein Kupferstichkabinett, pompejanische Altertümer und eine Gemäldesammlung. Arolsen ist Geburtsort des Bildhauers Christian Daniel Rauch (1777-1857), dem hier ein Denkmal errichtet ist, und von dem sich drei Marmorstatuetten in der Stadtkirche befinden. Gebürtige Arolsener sind auch der spätere bayerische Hofmaler Wilhelm von Kaulbach (1805-1874) und sein Cousin, der Hannoveraner Hofmaler Friedrich Kaulbach (1822-1903). In Pyrmont gibt es ein Schauspielhaus.

 

Zugehörigkeit zu Staatengemeinschaften, Zollsystemen und Zollvereinen

Bei den Verhandlungen zur Gründung des Deutschen Bundes auf dem Wiener Kongress werden Waldeck und Pyrmont von Regierungspräsident Günther Heinrich von Berg (1765-1843) vertreten. 1815 tritt Waldeck mit Pyrmont dem Deutschen Bund bei. Im Plenum der Bundesversammlung (Bundestag) führt es eine eigene Stimme, im "Engeren Rat" teilt es sich dagegen eine Stimme mit den Fürstentümern Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Reuß-Greiz, Reuß-Schleiz, Reuß-Ebersdorf, Reuß-Lobenstein, Liechtenstein, Lippe-Detmold, Schaumburg-Lippe sowie ab 1842 Hessen-Homburg.
1831 schließt sich Waldeck dem preußischen Zollsystem und damit auch dem Preußisch-Hessischen Zollverein sowie 1834 dem Deutschen Zollverein an. 1841 wird auch Pyrmont Mitglied des Deutschen Zollvereins. 1867 treten Waldeck und Pyrmont dem Norddeutschen Bund bei und bilden 1871 einen Bundesstaat des Deutschen Reichs. Im Bundesrat verfügt Waldeck-Pyrmont über eine Stimme und entsendet einen Abgeordneten in den Reichstag.

 

Territoriale Entwicklung ab 1914/Kulturerbe

Fürst Friedrich wird am 13. November 1918 vom Kasseler Arbeiter- und Soldatenrat zum Regierungsverzicht gezwungen. Waldeck wird nun Freistaat, die innere Verwaltung verbleibt gemäß Akzessionsvertrag bei Preußen. 1922 schließt sich Pyrmont Preußen an und wird der Provinz Hannover angegliedert. Nachdem Preußen den Akzessionsvertrag gekündigt hat, wird Waldeck 1929 Teil der preußischen Provinz Hessen-Nassau. Heute gehört Waldeck zum Bundesland Hessen und bildet seit 1974 gemeinsam mit Frankenberg den Landkreis Waldeck-Frankenberg. Sitz der Kreisverwaltung ist die Stadt Korbach. Mit einer Fläche von 1.849 km² ist der Landkreis Waldeck-Frankenberg der flächenmäßig größte der insgesamt 21 Landkreise in Hessen. Die Einwohnerzahl beläuft sich 2004 auf 169.631.
Das Schloss der ehemaligen Haupt- und Residenzstadt Arolsen wird bis heute von den Fürsten zu Waldeck und Pyrmont bewohnt. Die historischen Räume sind für Besichtigungen geöffnet und im Westflügel befinden sich die Hofbibliothek, die Bibliothek Brehm und das Museum Bad Arolsen.
Eine bedeutende Sammlung der Werke der Malerdynastie Kaulbach befindet sich sowohl im Geburtshaus Wilhelm von Kaulbachs, dem Kaulbach-Haus, als auch im Schreiberschen Haus, einem der ältesten Gebäude der barocken Residenzstadt Arolsen. Im Geburtshaus Christian Daniel Rauchs wird über Leben und Werk des Bildhauers berichtet. Seit 2002 besteht in Arolsen ein Christian Daniel Rauch-Museum als Kooperation zwischen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Das Museum im Schloss Pyrmont beherbergt heute die Sammlungen zur Stadt- und Badgeschichte Pyrmonts.

 

Verwendete Literatur