III Dokmentation und Datensätze

Staaten

Luxemburg (1820-1914)

 

Staatsgebiet

Das 1815 durch die Wiener Kongreßakte begründete Großherzogtum Luxemburg ist bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes und wird in Personalunion vom niederländischen Königshaus Nassau-Oranien regiert. Ab 1890 stellt das Haus Nassau-Weilburg die luxemburgischen Regenten. Hauptstadt und Bundesfestung ist die Stadt Luxemburg. Luxemburg befindet sich im Westen des Deutschen Bundes und hat ein zusammenhängendes Staatsgebiet. Es grenzt im Norden an die Niederlande, im Osten an die preußische Provinz Niederrhein, im Westen an den belgischen Teil der Niederlande (Provinz Luxemburg) und im Süden an Frankreich. 1839 fällt mehr als die Hälfte des Staatsgebiets an das 1830 gegründete Königreich Belgien. Nur noch der kleinere, östliche Teil verbleibt bis 1866 im Deutschen Bund und bis 1918 im deutschen Zollgebiet.

 

Geographie/Topographie

Für das Großherzogtum Luxemburg wird 1815 eine Fläche von 125 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 7.065km². Nach der Teilung 1839 umfasst das luxemburgische Staatsgebiet nur noch 46,6 Quadratmeilen bzw. 2.573km². Topographisch zerfällt das Land in zwei unterschiedliche Teile. Der nördliche Teil, das Ösling oder Eisling genannt, ist von dem Südabfall der Ardennen und der Eifel bestimmt und in verschiedenen Richtungen von schroff abfallenden Hügelketten (bis 560m Höhe) überzogen. Das Ösling ist von ausgedehnten Nadel- und Mischwäldern bedeckt und hat Grünflächen und Heiden. Der südliche Teil, wegen seiner größeren Fruchtbarkeit das "Gutland" genannt, liegt durchschnittlich 150m tiefer und gehört der Lothringer Stufenlandschaft an. Die Höhen der Schichtstufen des Gutlandes tragen Eichen- und Buchenwälder, sonst sind Acker- und Grünflächen charakteristisch. Im Moseltal gedeihen Obst und Wein. Luxemburg ist von vielen, meist fischreichen Flüssen und Bächen durchzogen, deren bedeutendster, die Sauer mit der Alzette, fast das ganze Land über die Mosel zum Rhein durchfließt; nur ein schmaler Landstrich im südwestlichen Teil wird durch den Bach Korn zur Maas abgeführt. Östlich wird das Land durch die Flüsse Mosel, Sure und Our begrenzt. Das Klima ist im Ösling rau mit schneereichen Wintern und kühlen Sommern, im Gutland milder.

 

Geschichte bis 1815/20

Nach der Burg Lucilinburhuc (Lützelburg) benannt, entstand im frühen Mittelalter die Grafschaft Luxemburg. Die ursprünglich deutsche Grafschaft wurde im 12. und 13. Jahrhundert durch umfangreiche wallonische Gebiete erweitert. Im 14. und 15. Jahrhundert stellte das Haus Luxemburg mehrmals den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Kaiser Karl IV. (1316-1378), aus dem Haus Luxemburg, erhob die Grafschaft Luxemburg 1354 zum Herzogtum. 1386 wurde Luxemburg an Burgund verpfändet und 1443 von Burgund in Besitz genommen. 1477 fiel das Herzogtum an die Habsburger, bei der Teilung 1555 an deren spanische Linie, blieb aber Teil des Heiligen Römischen Reiches. Von 1684 bis 1697 stand Luxemburg unter französischer Herrschaft, wurde dann wieder habsburgisch und war 1795 bis 1814 erneut Teil Frankreichs.
Nach Ende der napoleonischen Hegemonie wurde Luxemburg als Großherzogtum durch den Wiener Kongreß neu gegründet. Die Beweggründe hierfür waren rein sicherheitspolitischer Natur, es sollte ein Bollwerk gegen Frankreich geschaffen werden. Die Luxemburger selbst hatten nicht den Willen nach nationaler Eigenständigkeit bekundet. Das neu geschaffene Luxemburg erhielt einen komplizierten staatsrechtlichen Status: Es wurde als eigenständiges Großherzogtum in Personalunion mit dem König der Niederlande verbunden und wurde gleichzeitig Mitgliedsland des Deutschen Bundes. Die östlich der Flusslinie Our-Sauer-Mosel gelegenen Gebiete um Bitburg und St. Vith sowie Neuenburg und die Grafschaft Schleiden, die etwa ein Viertel des ehemaligen Herzogtums Luxemburg ausmachten, fielen an Preußen.

 

Staats- und Regierungsform, Herrscherhaus

Das Großherzogtum Luxemburg ist eine Monarchie. Bis 1890 regieren die niederländischen Könige aus dem Haus Nassau-Oranien in Personalunion als Großherzöge von Luxemburg: Wilhelm I. (reg. 1815-1840), Wilhelm II. (reg. 1840-1849) und Wilhelm III. (reg. 1849-1890). Da das luxemburgische Erbrecht die weibliche Thronfolge ausschließt, geht die Regentschaft 1890 an das Haus Nassau-Weilburg über. Den Thron übernimmt der letzte Herzog von Nassau, Adolf (reg. 1890-1905). Ihm folgt sein Sohn Wilhelm IV. (reg. 1905-1912) und nach Abschaffung des Fränkisch-Salischen Thronfolgegesetzes, das die weibliche Thronfolge ausschloss, Marie Adelheid (reg. 1912-1919) als erste Großherzogin. 1841 zwingt Wilhelm II. dem Großherzogtum eine der niederländischen Verfassung nachgebildete landständische Verfassung auf. 1848 erhält das Großherzogtum eine von Luxemburgern ausgearbeitete, liberale Verfassung. In ihr sind die politischen Grundrechte, die Teilung der Gewalten und die Pressefreiheit festgelegt. 1856 löst Wilhelm III. das Parlament auf und zwingt Luxemburg unter eine neue autoritäre Verfassung. Die politischen Zugeständnisse von 1848 werden weitgehend rückgängig gemacht. 1868 erhält Luxemburg schließlich eine neue, liberale Verfassung, die in ihren Grundzügen bis heute gültig ist. Nach dieser Verfassung ist das Großherzogtum Luxemburg eine konstitutionelle Erbmonarchie.

 

Territoriale Aufteilung/Verwaltungsstruktur

Bis 1839 wird Luxemburg als niederländische Provinz verwaltet. Im Londoner Protokoll vom 19. April 1839 übertragen die europäischen Großmächte den wallonischen Teil Luxemburgs - die heutige belgische Provinz Luxembourg - auf Belgien. Damit erhält Luxemburg seine heutige territoriale Gestalt. Mit der landständischen Verfassung von 1841 bekommt Luxemburg eine eigene Verwaltungsstruktur. Das Großherzogtum ist nun in die fünf Verwaltungseinheiten Luxemburg Stadt, Distrikt Luxemburg, Distrikt Diekirch, Distrikt Grevenmacher und Distrikt Mersch eingeteilt. Um 1900 bestehen nur noch die vier Distrikte Luxemburg Stadt, Luxemburg Land, Diekirch und Grevenmacher. Die oberste Justizbehörde ist das Obergericht in Luxemburg-Stadt.

 

Bevölkerung

Nach amtlicher Zählung von 1823 hat das Großherzogtum Luxemburg eine Bevölkerungszahl von 264.600. Nach der Teilung von 1839 verbleiben noch rund 170.000 Einwohner im luxemburgischen Staatsgebiet. Bis 1875 steigert sich die Bevölkerungszahl um 21% auf 205.158 und bis 1910 um 50% auf 259.891 Einwohner. 1847 leben rund 15% der Luxemburger in den Städten, 1855 sind es 24%. Die Hauptstadt Luxemburg hat 1847 12.170 Einwohner und 1900 rund 21.000 Einwohner. Die Bevölkerung Luxemburgs ist vornehmlich katholischen Glaubens. Die Anteile anderer Konfessionen liegen durchgehend bei rund 1% evangelischen Glaubens und 0,5% jüdischen Glaubens.

 

Wirtschaft

Bodennutzung und Landwirtschaft

Im südlichen Landesteil, dem sogenannten Gutland wird vornehmlich Weizen angebaut und Viehzucht (Schafe, Pferde, Schweine) betrieben. Zudem besteht eine umfangreiche Wald- und Forstwirtschaft. Im nördlichen Landesteil, dem Ösling, findet sich nur Roggen- und Haferbau. Die großen Waldgebiete sind von Eichenbuschwäldern geprägt, den sogenannten Lohhecken, die eine Verbindung der Niederwaldwirtschaft mit vorübergehender landwirtschaftlicher Bodenbenutzung erlauben. An der Mosel und an der unteren Sauer wird Wein angebaut.

Bergbau

Der wirtschaftliche und industrielle Aufschwung Luxemburgs beginnt mit der Entdeckung der Eisenerzvorkommen im südwestlichen Grenzgebiet um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Die größten Flöze befinden sich in den Becken von Esch-Rümlingen und Beles-Differdingen-Rodingen. Die ganze Ablagerung nimmt 3.800 Hektar ein, von denen um 1900 über die Hälfte durch Tagebau gewonnen werden. Der Gesamtertrag der Eisenerzförderung Luxemburgs liegt 1850 bei 19.500t, 1871 bei 1.170.939t, 1895 bei 3.913.077t und erreicht 1913 mit 7.333.382 einen Höchststand. Steinbrüche an der Sauer und Mosel liefern ausgezeichnete Bau- und Pflastersteine.

Gewerbe und Industrie

Hauptindustrie ist seit den 1850er Jahren die Eisenindustrie mit Roh- und Walzeisenproduktion sowie Stahlherstellung. Im Jahre 1850 produziert Luxemburg 7.750t Roheisen und steigert sie bis 1913 auf 2.547.861t. Die Stahlproduktion beläuft sich 1850 auf 2.160t und steigert sich bis 1913 auf 1.182.227t. Im Textilgewerbe ist die Leinenhandspinnerei im ganzen Lande verbreitet. Woll- und Baumwollmaschinenspinnereien sowie Strumpfwaren und Filzhutmanufakturen bestehen vornehmlich in der Umgebung von Luxemburg. Tuchmanufakturen befinden sich in Luxemburg, Esch an der Sauer, Wiltz, Klers, Echternach und Fels. Gerbereien sind seit alter Zeit in Wiltz, Klers, Vianden und Luxemburg angesiedelt. Neben Papiermühlen und Tabakproduktion, sind vor allem die Bierbrauereien um Luxemburg von Bedeutung.

Handel

Exportiert werden vor allem Bodenschätze wie Eisenerz sowie Bau- und Pflastersteine. Hauptabnahmeländer sind Belgien und Preußen. Den Hauptbestandteil der Einfuhr bilden Koks, Steinkohlen und Getreide.

Währung, Maße, Gewichte

Bis zur Währungsreform um 1848 besteht als Landeswährung der Gulden, der dann durch den Franc ersetzt wird. Als Maße und Gewichte gelten zunächst die niederländischen, mit dem Beitritt zum Deutschen Zollverein 1842 werden dann die preußischen übernommen.

 

Verkehr

Eisenbahnen

1866 bestehen vier Hauptverbindungsstrecken mit Frankreich, Belgien und Deutschland sowie Zweigbahnen ins Landesinnere. 1905 umfasst das Eisenbahnnetz 525km, wovon auf die Wilhelm-Luxemburg-Bahn 192km, auf die Prinz Heinrich-Bahn 194km, die Kantonalbahn 54km und auf Sekundärbahnen 85km entfallen. 1872 wird durch die 40jährige Verpachtung der Eisenbahnen an Deutschland die französische Ostbahngesellschaft aus Luxemburg verdrängt. 1903 wird die Verlängerung des Vertrages zur deutschen Verwaltung der Luxemburger Bahnen bis 1959 festsetzt, nach Ende des Ersten Weltkrieges aber von Luxemburger Seite aufgekündigt.

Wasserstraßen

Einzig schiffbare Wasserstraße Luxemburgs ist die Mosel, die 1850 im Luxemburger Gebiet Schiffe mit einer Tagfähigkeit bis zu 200t befördern kann. Bis 1903 wird die Mosel für Schiffe mit einer Tragfähigkeit von bis zu 1200t ausgebaut.

 

Kultur und Bildung

1881 wird im Großherzogtum die Schulpflicht eingeführt. Im Jahre 1905 bestehen zwei Normalschulen zur Ausbildung von Lehrkräften, ein Gymnasium in Diekirch und ein Progymnasium in Echternach, eine Ackerbauschule in Ettelbrück, ein Athenäum und ein Priesterseminar in Luxemburg Stadt sowie 750 Volksschulen. Eine eigenständige Universität existiert bis heute nicht in Luxemburg, ist aber seit 2001 konkret in Planung. In der Hauptstadt Luxemburg gibt es zwei Theater, in der Industriestadt Esch-sur-Alzette ein Drittes. Im Stadthaus Luxemburg befindet sich eine Gemäldegalerie.

 

Zugehörigkeit zu Staatengemeinschaften, Zollsystemen und Zollvereinen

Von 1815 bis 1866 ist Luxemburg Mitglied des Deutschen Bundes. Im Plenum der Bundesversammlung (Bundestag) führt Luxemburg bis 1839 drei Stimmen und im "Engeren Rat" eine eigene Stimme. Nach dem Ausscheiden des Belgien zugesprochenen westlichen Teils Luxemburgs im Jahre 1839 wird das mit Luxemburg in Personalunion verbundene niederländische Herzogtum Limburg Mitglied des Deutschen Bundes und führt gemeinsam mit Luxemburg im Plenum eine Stimme. Die Eingliederung Luxemburgs in den Deutschen Bund unterstreicht seine Rolle als Vorposten Preußens gegen Frankreich. Die Hauptstadt erhält einen preußischen Militärgouverneur und wird von preußischen Truppen besetzt. In Reaktion auf den Versuch des französischen Kaisers Napoleon III. (1808-1873), Luxemburg von den Niederlanden zu kaufen, vereinbaren die europäischen Großmächte 1867 das preußische Besatzungsrecht aufzuheben, die Bundesfestung zu schleifen und dem Staat immerwährende Neutralität zu verleihen.
Am 8. Februar 1842 unterzeichnen die niederländische Regierung und Preußen den Beitritt Luxemburgs zum Deutschen Zollverein. Um eine niederländische Mitsprache in den Zollvereinsangelegenheiten auszuschließen, erhält Luxemburg jedoch innerhalb des Zollvereins kein eigenes Stimmrecht, sondern wird von Preußen mitvertreten. Im März 1903 genehmigen die Volksvertretungen beider Länder einen Vertrag, der die Verlängerung der mit Deutschland bestehenden Zollgemeinschaft bis 1959 festsetzt. Nach der Besatzung durch deutsche Truppen während des Ersten Weltkriegs kündigt Luxemburg den Vertrag jedoch zum 31. Dezember 1918 auf.

 

Territoriale Entwicklung ab 1914/Kulturerbe

Während des Ersten Weltkriegs von deutschen Truppen besetzt, löst Luxemburg zum Jahresende 1918 die Wirtschaftsunion mit dem Deutschen Reich auf. Nach dem Verzicht Frankreichs auf Eingliederung Luxemburgs, schließt das Großherzogtum mit Belgien eine auf 50 Jahre angelegte Zoll- und Handelsunion. 1940 wird das neutrale Luxemburg erneut von deutschen Truppen besetzt, 1942 vom Deutschen Reich annektiert und dem Gau Koblenz-Trier zugeteilt. Nach der Befreiung 1944 einigt sich Luxemburg mit Belgien und den Niederlanden auf eine Benelux-Union, die seit 1948 eine Zoll- und seit 1960 auch eine Handelsunion beinhaltet. Luxemburg ist neben Liechtenstein der einzige bis heute bestehende souveräne Staat des ehemaligen Deutschen Bundes.
Das Luxemburger Staatsgebiet ist mit der Fläche von 2.586km² seit 1839 unverändert geblieben. Die Einwohnerzahl beläuft sich im Oktober 2004 auf 451.600 Personen. Die Hauptstadt Luxemburg ist heute Sitz der Europäischen Investitionsbank, des Europäischen Gerichtshofs und des Generalsekretariats des Europaparlaments. Die historischen Museen der Hauptstadt Luxemburg, das "Musée national d'histoire et d'art " und das "Musée de l'Histoire de la Ville de Luxembourg" erinnern an die wechselvolle Geschichte des Landes. Der ehemalige Industriestandort Esch-Belval ist heute ein vielfältig genutztes "Zentrum für Industriekultur".
Nach der 1867 verfügten Schleifung der Festung Luxemburg bleiben noch 17km der unterirdischen Befestigungsanlagen, der Kasematten, erhalten, die seit 1933 teilweise für Besichtigungen zugänglich sind. Die äußeren Befestigungsanlagen sind nur noch zu einem geringen Teil erhalten. Seit 1994 gehört die Altstadt Luxemburgs zum Weltkulturerbe der UNESCO.

 

Verwendete Literatur