Das Herzogtum Anhalt entsteht 1863 aus der Vereinigung der Herzogtümer Anhalt-Bernburg und Anhalt-Dessau-Köthen. Es befindet sich in Mitteldeutschland und bildet, abgesehen von den Exklaven Großalsleben, Tilkerode, Mühlingen, Dornburg und Gödnitz sowie dem im Unterharz gelegenen Kreis Ballenstedt, ein geschlossenes Staatsgebiet. Innerhalb des Herzogtums Anhalt liegen die preußischen Enklaven Priorau-Schierau-Möst, Löbnitz, Repau und Pösigk. Das Land grenzt rundherum an das Königreich Preußen und im Westen an das Herzogtum Braunschweig. Hauptstadt und Sitz des Hofes ist Dessau. Residenzen befinden sich neben Dessau in Oranienbaum, Mosigkau, Ballenstedt, Bernburg, Köthen und Zerbst.
Für das Herzogtum Anhalt wird 1815 eine Fläche von 48 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 2.444km². Das anhaltische Territorium reicht vom Unterharz um Ballenstedt, über die Bernburgischen, Köthenschen und Dessauischen Gebiete auf dem linken Elbufer zu beiden Seiten der Saale und Mulde bis zum Zerbster Land auf dem rechten Elbufer.Der Unterharz ist gebirgig, die Gebiete links der Elbe bieten fruchtbares Land, der Zerbster Landesteil hingegen ist zu zwei Dritteln sandig, von Heide bedeckt und von Moorgegenden durchzogen. Ca. ein Viertel des Landes ist bewaldet. Der Großteil Anhalts gehört zum Stromland der Elbe und ihrer Nebenflüsse Saale, Wipper und Mulde. Es herrscht weitgehend mildes Klima.
Anhalt ist nach der gleichnamigen Burg über dem Selketal im Harz benannt. Das Herrscherhaus stammt vom Geschlecht der Askanier ab, benannt nach der lateinischen Form der Grafschaft Aschersleben. Der Aufstieg des Hauses begann unter Albrecht dem Bären (ca. 1100-1170). Sein Enkel Heinrich (ca. 1170-1251) erhielt 1211 das Gebiet zwischen Unterharz und Elbe und nannte sich als erster "Fürst von Anhalt". Seine drei Söhne teilten das Land und begründeten Linien zu Aschersleben, Bernburg und Zerbst. Joachim Ernst von Anhalt-Dessau (1536-1586) konnte 1570 das gesamte Anhalt wiedervereinigen. Da es keine Primogeniturordnung gab, teilten seine fünf Söhne 1603 das Land. Die neuen Linien residierten in Dessau, Bernburg, Köthen, Zerbst und Plötzkau. 1635 wurde für die gesamt-anhaltischen Angelegenheiten eine Senioriatsverfassung eingeführt, nach der jeweils der älteste Linienchef die Mehrheitsbeschlüsse der übrigen durchführte. Die Fürsten hatten eine gemeinsame Stimme im Reichsfürstenrat und vertraten außerdem die Stimme des Stifts Gernrode. Sie gehörten zum obersächsischen Reichskreis. Die 1806/1807 zu Herzogtümern erhobenen souveränen Staaten Anhalt-Bernburg, Anhalt-Köthen und Anhalt-Dessau traten 1815 dem Deutschen Bund bei. Nach dem Tod des letzten Herzogs von Anhalt-Köthen wurde das Land unter die Verwaltung von Anhalt-Dessau gestellt und 1853 mit diesem zum Herzogtum Anhalt-Dessau-Köthen vereinigt. Nach dem Tod des letzten Herzogs von Anhalt-Bernburg ging 1863 auch Anhalt-Bernburg an das Haus Dessau über, das nun alle anhaltischen Gebiete im Herzogtum Anhalt vereinigte.
Das Herzogtum Anhalt ist eine Monarchie. Am 30. August 1863 nimmt der Dessauer
Herzog Leopold IV. (reg. 1817–1871) den Titel "Herzog von Anhalt"
an. Alle auf ihn folgenden Herrscher stammen ebenfalls aus dem Hause
Anhalt-Dessau: Es folgt sein Sohn Friedrich I. (reg. 1871-1904) und dessen
Söhne Friedrich II. (reg. 1904-1918) und Eduard (reg. 21.4.-13.9.1918). Eduards
Sohn Joachim Ernst (1901-1947) tritt unter Vormundschaft von Aribert von Anhalt
(1864-1933) am 13. September die Regierung an, muss aber am 12. November 1918
zugunsten einer republikanischen Regierungsform abdanken.
Die am 17. September 1859 im Herzogtum Anhalt-Dessau-Köthen verfügte
landständische Verfassung wird für das Herzogtum Anhalt übernommen und bleibt
im Wesentlichen bis 1918 in Kraft. Je 12 Vertreter der Ritterschaft, der Städte
und der Landgemeinden sitzen im gemeinsamen Landtag. Das Wahlrecht zum
anhaltischen Landtag wird ab 1872 in Etappen erweitert und demokratisiert, ein
allgemeines, freies und gleiches Wahlrecht bis zum Ersten Weltkrieg aber nicht
erreicht. 1902 werden die ersten drei Sozialdemokraten in den Landtag gewählt.
Mit Vereinigung der anhaltischen Herzogtümer werden 1863 sechs Kreise gebildet: Dessau, Bernburg, Zerbst, Köthen, Ballenstedt und Coswig. Mit Erlass vom 27. Juli 1865 wird der Kreis Coswig aufgehoben und in den Kreis Zerbst eingegliedert, so dass ab 1. Januar 1866 folgende fünf Kreise bestehen: Dessau, Bernburg, Zerbst, Köthen und Ballenstedt. 1870 wird der Köthener Kreis um das ehemalige Amt Radegast und das Dorf Wadendorf aus dem Kreis Dessau erweitert. Mit Gesetz vom 7. April 1878 werden nach preußischem Vorbild auf der unteren Verwaltungsebene Amtsbezirke gebildet. Seit 1849 ist das Ober-Appellationsgericht in Jena höchste Gerichtsinstanz für alle thüringischen Staaten und Anhalt.
Nach der Volkszählung von 1864 hat das Herzogtum Anhalt 193.046 Einwohner. Bis
1910 steigt die Bevölkerungszahl um mehr als ein Drittel, auf 331.000
Einwohner, an. 1864 leben in den Städten 95.346 Personen, auf dem Land 97.700.
Dieses ausgewogene Stadt-Landverhältnis ändert sich rasch: 1895 leben nur
noch 41 Prozent auf dem Land und 59 Prozent in den Städten; der Zuwachs der
Stadtbevölkerung beträgt mehr als das Dreifache des Zuwachses auf dem Land.
1871 leben in der Hauptstadt Dessau 17.200 Einwohner, 1890 hat sich die Zahl
bereits auf 34.700 verdoppelt und 1900 auf rund 51.000 Einwohner verdreifacht.
Die Bevölkerung Anhalts ist fast durchgehend evangelischer Glaubensrichtung.
Für das Jahr 1900 werden zudem an die 4% Katholiken und 0,5% Juden
angegeben.Vergleicht man diese Zahlen mit der Volkszählung von 1852 so hat sich
der Bevölkerungsanteil der Katholiken versechsfacht und der Anteil der Juden um
ungefähr ein Drittel reduziert.
Die anhaltische Landwirtschaft hängt von der unterschiedlichen Qualität ihrer Böden ab. Im Zerbster und Ballenstedter Gebiet sowie im östlichen Teil des Dessauer Kreises werden Roggen und Kartoffeln angebaut. Guter Boden von Bördequalität eignet sich in den Gebieten um Köthen und Bernburg sowie im westlichen Dessauer Kreis besonders für den Zuckerrübenanbau. Im östlich der Elbe gelegenen Fläming werden Roggen und Zuckerrüben gleichermaßen angebaut. Von großer Bedeutung ist der blühende Obst- und Gemüseanbau in allen Landesteilen. Ende 1900 beläuft sich der Viehbestand auf 19.509 Pferde, 67.703 Rinder, 86.231 Schafe, 103.664 Schweine und 30.887 Ziegen.
Im Jahre 1887 sind in Anhalt zwölf Braunkohlewerke, zwei Salzbergwerke, ein
Erzbergwerk, elf Salinen und eine Hütte für Blei- und Silbererze in Betrieb.
Braunkohle und Eisenerz finden sich vornehmlich im Bernburger Landesteil. Die
Braunkohleförderung liegt 1864 bei 450.796t und steigert sich bis 1905 auf
146.780t. Die Eisenerzförderung beläuft sich 1864 auf 38t und erreicht 1873
einen Höchstwert mit 2.974t.
Im Industrialisierungsprozess entwickelt sich Dessau zur bedeutendsten Industriestadt Anhalts, deren Maschinenfabrikation von der Deutschen Continental-Gas-Gesellschaft AG und dem Berlin-Anhaltischen Maschinenbau AG ausgeht. 1895 werden Junkers & Co., zunächst für Gasapparate, dann für den Flugzeug- und Motorenbau sowie die Dessauer Waggonfabrik AG gegründet. Köthen entwickelt sich zu einer mittleren Industriestadt mit Zucker- und Maschinenindustrie, Kunstdünger- und Nahrungsmittelerzeugung sowie Zigarrenherstellung. Bernburg wird seit den 1880er Jahren durch die Deutschen Solvay-Werke GmbH ein Zentrum der chemischen Industrie. Die Roheisenproduktion, im Bernburger Landesteil angesiedelt, hat ihren Höchstwert 1873 mit 919t und läuft 1875 mit einer Produktionsquote von nur noch 320t aus. Die Stahlproduktion, ebenfalls im Bernburger Landesteil, beläuft sich 1865 auf 228,85t und sinkt bis 1882 auf 44,45t pro Jahr ab.
Anhalt importiert vor allem Kohle, Roheisen, Erdöl, Bauholz und Kolonialwaren und exportiert Zucker, Spiritus, Kartoffeln, Gerste, Malz, Textilien, Tapeten, Rollos, Salze, Chemikalien und Düngemittel. Sitz der Handels- und Gewerbekammer ist Dessau.
Es gelten die preußische Währung sowie preußische Maße und Gewichte.
Im Jahre 1892 bestehen im Herzogtum Anhalt 824km Kunststraßen.
Durch Anhalt, mit Verkehrsknotenpunkt Köthen führen 1863 die Magdeburg-Köthen-Halle-Leipziger Eisenbahn und die Berlin-Anhalter Bahn. Innerhalb Anhalts ist Köthen mit Bernburg, Zerbst, Rosslau, Dessau und Gerlebogk verbunden.
Schiffbare Wasserstraßen des Herzogtums Anhalt sind 1874 die Elbe, die im anhaltischen Gebiet für Binnenschiffe der Tragfähigkeit von 600 bis 1.199t schiffbar ist und die Saale mit einer Tragfähigkeit für Binnenschiffe von 50 bis 99t. Bis 1903 werden die Elbe für eine Tragfähigkeit von mehr als 3.000t und die Saale auf 100 bis 199t ausgebaut.
Seit 1859 besteht an der Elbe der Dessauer Wallwitzhafen.
Die Schulen in Anhalt unterstehen staatlicher Aufsicht. Dessau ist mit seiner 1766 gegründeten Hofkapelle und dem 1798 erbauten Theater, der Herzoglichen, später Anhaltischen Landesbibliothek, dem Landesmuseum und Gemäldegalerien kulturelles Zentrum des Landes. Unter Eduard Thiele (1812-1895) und August Friedrich Martin Klughardt (1847-1902) wird Dessau ein Mittelpunkt des Wagnerkults. 1856 wird das Dessauer Schauspielhaus von Carl Ferdinand Langhans (1782-1869) neu ausgebaut. Ab 1924 siedelt sich das Bauhaus in Dessau an.
Bei der Staatsgründung 1863 gehört Anhalt dem Deutschen Bund sowie dem Deutschen Zollverein an. 1866 tritt Anhalt aus dem Deutschen Bund aus und schließt sich im Krieg gegen Österreich Preußen an. 1867 tritt es dem Norddeutschen Bund bei, 1871 wird das Herzogtum Anhalt Bundesstaat des Deutschen Reichs. In den Bundesrat entsendet Anhalt einen Bevollmächtigten des Herzogs und wählt zwei Abgeordnete in den Reichstag.
Mit dem Thronverzicht Herzog Joachim Ernsts (Reg. 13.9.-12.11.1918) wird Anhalt Freistaat in der 1919 konstituierten Weimarer Republik.1933 beginnt die Auflösung des Landes Anhalt als politische Einheit: Die Gleichschaltung Anhalts setzt 1933 mit der Einsetzung eines sogenannten Reichsstatthalters für Anhalt und Braunschweig ein und endet 1934 mit der Aufhebung des Landtags. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Anhalt am 9. Juli 1945 innerhalb der sowjetischen Besatzungszone mit der preußischen Provinz Sachsen vereinigt und 1947 dem Land Sachsen-Anhalt angegliedert. Mit Auflösung des Landes Sachsen-Anhalt 1952 kommt der größere Teil der anhaltischen Gebiete zum Bezirk Halle, der kleinere zum Bezirk Magdeburg. Mit dem Beitritt der Länder der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland entsteht das Land Sachsen-Anhalt am 3. Oktober 1990 wieder neu. Die Residenzen in Ballenstedt, Bernburg, Zerbst, Köthen und Dessau werden heute weitgehend museal genutzt. Das Bauhaus in Dessau und das Dessau-Wörlitzer Gartenreich gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO.
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