III Dokmentation und Datensätze

Staaten

Anhalt-Dessau (1820-1853)

 

Staatsgebiet

Das Herzogtum Anhalt-Dessau befindet sich in Mitteldeutschland. Es verteilt sich auf die fünf Landesteile Gröbzig, Sandersleben, Zerbst, Dessau und Nedlitz sowie die zwei Exklaven Großalsleben und Gödnitz. In seinem Staatsgebiet liegen die preußischen Enklaven Löbnitz und Priorau-Schierau-Möst. An den äußeren Grenzen befinden sich das Königreich Preußen und die Gebietsteile von Anhalt-Bernburg und Anhalt-Köthen.
Hauptstadt und Sitz des Hofes ist Dessau, Residenzen befinden sich in Mosigkau, Oranienbaum und Zerbst. 1847 übernimmt Anhalt-Dessau die Verwaltung des Herzogtums Anhalt-Köthen, mit dem es sich 1853 zum Herzogtum Anhalt-Dessau-Köthen vereinigt.

 

Geographie/Topographie

Für das Herzogtum Anhalt-Dessau wird 1815 eine Fläche von 17 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 864km². Die Gebiete des Herzogtums Anhalt-Dessau sind mit Ausnahme des Amtes Sandersleben vollkommen eben. Die sieben Flüsse, die das Herzogtum durchziehen, prägen die Landschaft und die Güte des Bodens: Elbe, Mulde, Fuhne, Taube, Ziethe, Wipper und Nuthe. Fuhne und Wipper bieten hervorragenden Weizenboden und an der Elbe und Mulde befindet sich ergiebiger Auboden. Das Amt Zerbst hingegen verfügt nur über eher mageren Boden und der Untergrund um Dessau wird als „toter Sand" bezeichnet. Ein verhältnismäßig großer Anteil des Landes ist bewaldet, was dem Wildbestand zugute kommt. Prägend für dieses Gebiet sind die häufigen Überschwemmungen durch Elbe und Mulde. Seit dem 18. Jahrhundert werden systematisch Wälle angelegt um die Überschwemmungen einzudämmen. Zudem ist eine Eilboten-Verbindung mit Dresden eingerichtet, die den Elbstand 24 Stunden früher als die Flut bringt. Seit 1819 besteht auch eine besondere Wallordnung. "Das Klima ist gesund, aber die Überschwemmungen erzeugen oft Fieber und andere Krankheiten." (H. Lindner)

 

Geschichte bis 1815/20

Die nach dem erstmals 1213 erwähnten Ort Dessau benannte ältere Linie Anhalt-Dessau des Hauses Anhalt entstand 1474 durch Teilung der Siegmundischen Linie Anhalt-Köthens. Sie erwarb 1562 die Güter der älteren Linie Anhalt-Köthens und bis 1570 auch die übrigen anhaltischen Güter, nachdem sie sich selbst 1546 in die Linien Zerbst, Plötzkau und Dessau gespalten hatte. Mit Johann Georg I. (1567-1618) entstand 1603 die jüngere Dessauer Linie. 1793 fielen aus dem Erbe von Anhalt-Zerbst Stadt und Gebiet Zerbst an Leopold III. von Anhalt-Dessau (1751-1817). Die 1667 bis 1793 zu Anhalt-Zerbst gehörende Herrschaft Jever hingegen kam über die Schwester des letzten Fürsten von Anhalt-Zerbst, Katharina II. (1729-1796), vorübergehend an Russland und ab 1818 an Oldenburg. Leopold III. trat am 18. April 1807 dem Rheinbund bei und nahm am 22. Juni 1807 den Herzogstitel an.

 

Staats- und Regierungsform, Herrscherhaus

Das Herzogtum Anhalt-Dessau ist eine Monarchie. Der Staat ist geprägt durch die lange Regierungszeit der Herzöge Leopold III. (reg. 1751-1817) und dessen Enkel Leopold IV. (reg. 1817-1871).Die Städteordnung von 1832 gesteht den Einwohnern eine beschränkte Selbstverwaltung zu. Ohne Blutvergießen erringen 1848 die liberalen Kräfte ein Ministerium. Die stark von der Linken des Gesamtlandtags geprägte Verfassung vom Oktober 1848 legt die "monarchisch-demokratische" Staatsform fest und erfüllt die liberalen Forderungen in weitestem Umfang: Abgeschafft werden u.a. Stände, Adel, Titel, Todesstrafe, geistliche Schulaufsicht, Fideikommisse, Jagdfronden und Steuerprivilegien. Die Zivilehe wird eingeführt, und mit der Bildung von Arbeiter­kommissionen greift diese Verfassung die soziale Frage direkt auf. Bereits im November 1851 wird die Verfassung wieder aufgehoben. Lediglich die Trennung von Justiz und Verwaltung, Schwurgerichte sowie Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens bleiben erhalten.

 

Territoriale Aufteilung/Verwaltungsstruktur

Das Herzogtum Anhalt-Dessau verfügt 1820 nicht über Mittelbehörden. An Unterbehörden bestehen seit 1819 die sieben Justizämter Dessau, Oranienbaum, Quellendorf, Gröbzig, Sandersleben, Großalsleben und Zerbst. Mit der gemeinsamen Gemeindeverordnung für Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen vom 24. Februar 1849 werden drei Kreise gebildet: Kreis Dessau: Anhalt-Dessauische Landesteile diesseits der Elbe (ohne die Ämter Gröbzig und Sandersleben);.Kreis Köthen: Anhalt-Köthische Landesteile diesseits der Elbe (inklusive der Ämter Gröbzig und Sandersleben);.Kreis Zerbst: Landesteile jenseits der Elbe. Mit den anderen anhaltischen sowie mit den schwarzburgischen Staaten ist die Dessauer Justiz seit 1817 dem Zerbster Ober-Appellationsgericht unterstellt. Ab 1849 ist das Ober-Appellationsgericht in Jena höchste Gerichtsinstanz.

 

Bevölkerung

Nach der Bundesmatrikel von 1816 hat Anhalt-Dessau 52.947 Einwohner. 1830 ist die Bevölkerung um 9% auf 57.629 Einwohner angestiegen, die sich im Verhältnis 3:2 auf Stadt und Land verteilen. 1852 hat sich die Einwohnerzahl um weitere 18% auf 68.082 erhöht.Für das Jahr 1841 werden für die Hauptstadt Dessau 12.000 Einwohner angegeben, bis 1852 hat sich die Einwohnerzahl um 16% auf 13.861 erhöht. Die Einwohner des Herzogtums Anhalt-Dessau gehören zum Großteil der evangelischen Glaubensrichtung an. Für das Jahr 1818 werden an anderen Konfessionen ca. 3% Juden und 1830 zudem 0,2% Katholiken angegeben.

 

Wirtschaft

Bodennutzung und Landwirtschaft

Die Landwirtschaft konzentriert sich in Anhalt-Dessau vornehmlich auf Garten- und Obstbau. Seit dem 17. Jahrhundert wird auch Tabak angebaut. Daneben spielt der Fischfang (Lachse) eine wenn auch untergeordnete Rolle. Der Viehbestand liegt 1830 bei 5.128 Pferden, 15.599 Rindern und 93.725 Schafen.

Bergbau

Im Amt Sandersleben befinden sich Kalksteinbrüche.

Gewerbe und Industrie

Um 1830 finden sich Lohgerbereien in Dessau und Oranienbaum, Wachsbleichen in Zerbst und Nedlitz, eine Papiermühle in Jeßnitz, eine Tabakfabrik und eine Hutfabrik in Dessau sowie eine Porzellan- und eine Gold- und Silbermanufaktur in Zerbst. Textilgewerbe ist neben den Städten Dessau und Zerbst vor allem in Raguhn und Jeßnitz angesiedelt. In Dessau wird zudem Bitterbier gebraut.

Handel

Der Handel ist zunächst nur in der Stadt Dessau sowie allenfalls in Zerbst von Belang. Durch den Eisenbahnbau und die Dampfschifffahrt auf der Elbe wird er wesentlich gefördert.

Währung, Maße, Gewichte

In Anhalt-Dessau rechnet man nach Reichstalern à 24 Gramm à 12 Pfennig im Wert des preußischen Courant. Am 19. Januar 1840 ist das Herzogtum dem deutschen Münzverein beigetreten. Es gelten die preußischen Maße und Gewichte.

 

Verkehr

Eisenbahnen

Seit 1840 besteht eine Bahnlinie zwischen Dessau und Köthen. 1841 ist die Berlin-Anhalter Bahn bis Köthen fertiggestellt, die auch über Dessau führt. Täglich verkehren wenigstens drei Personenzüge und ein Güterzug zwischen Dessau und Köthen, die den Verkehr nach Berlin sowie über Köthen nach Magdeburg, Halle und Leipzig gewährleisten.

Wasserstraßen

Die Dessauer und Zerbster Landesteile von Anhalt-Dessau liegen an der Elbe, welche auf anhaltischem Gebiet 1850 als Wasserstraße für Binnenschiffe der Tragfähigkeit von bis zu 399t geeignet ist.

See- und Binnenhäfen

Ein Elbhafen befindet sich bei Dessau.

 

Kultur und Bildung

Im 18. Jahrhundert war Dessau mit seinen sozialen, wirtschaftlichen und pädagogischen Projekten eines der Zentren der deutschen Aufklärung. Die Gestaltung des Dessau-Wörlitzer-Gartenreiches ist bis heute Zeugnis der Ideale von Aufklärung und Humanismus. Das 1774 gegründete Dessauer "Philanthropinum" gilt als das früheste Modell einer staatlichen, auf Naturwissenschaften und praktisches Leben orientierten Schule Deutschlands, von der, trotz der frühen Schließung von 1793, starke Impulse für die Entwicklung des Bildungssektors ausgingen. Auch im 19. Jahrhundert ist die Stadt Dessau Mittelpunkt des kulturellen Lebens Anhalts. Vor allem das herzogliche Hoftheater ist unter Hofkapellmeister Friedrich Schneider (gest. 1853) über die Landesgrenzen hinaus bekannt: "Dessau war damals ganz in Musik getaucht. Der regierende Herzog hatte ein Orchester ersten Ranges, an dessen Spitze Friedrich Schneider stand. Dieser war ein Komponist der alten Schule von ziemlichem Ruf, seines Zeichens Kantor wie J.S. Bach, gleichzeitig aber auch herzoglicher Kapellmeister und Leiter einer – wie man damals sagte – Musikschule, jetzt Konservatorium. Diese Schule wurde von Schülern aus allen Teilen Deutschlands besucht, und es sind aus ihr einige tüchtige Musiker und bekannte Komponisten hervorgegangen." (Max Müller, zit. nach Wäschke).Mit dem Umzug des Weimarer "Bauhaus. Hochschule für Gestaltung" 1924 nach Dessau wird Anhalt zum Mittelpunkt neuer Entwicklungen in den Bereichen Architektur, Design und neue Medien.

 

Zugehörigkeit zu Staatengemeinschaften, Zollsystemen und Zollvereinen

Bei den Verhandlungen zur Gründung des Deutschen Bundes auf dem Wiener Kongress werden alle drei anhaltischen Herzogtümer von dem Regierungspräsidenten von Anhalt-Dessau, Wolff Carl August von Wolfframsdorf (1769-1831) vertreten. Seit 1815 ist das Herzogtum Mitglied des Deutschen Bundes und führt im Plenum der Bundesversamm­lung (Bundestag) eine eigene Stimme. Im "Engeren Rat" teilt es sich dagegen eine Stimme mit den Herzogtümern Anhalt-Bernburg und Anhalt-Köthen, dem Großherzogtum Oldenburg sowie den Fürstentümern Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen.1828 tritt Anhalt-Dessau dem preußischen Zollsystem und damit auch dem Preußisch-Hessischen Zollverein und 1834 dem Deutschen Zollverein bei.<7p>

 

Territoriale Entwicklung ab 1863/Kulturerbe

Mit Vertrag vom 2. bzw. 7. Mai 1853 wird die seit 1847 zwischen Anhalt-Dessau und Anhalt-Bernburg bestehende "Gemeinschaft der Landeshoheits- und Regierungsrechte über das Herzogtum Anhalt-Köthen" aufgelöst. Nachdem Dessau schon von Anfang an die tatsächliche Führung der Regierungsgeschäfte innegehabt und Gesetze, Verordnungen und Verfügungen für Dessau und Köthen gemeinsam erlassen hatte, wird nun die Vereinigung auch de jure vollzogen. Die Regierung in Köthen wird aufgehoben, ihre Geschäfte gehen zum 1. Januar 1854 auf die Regierung in Dessau über. Das Herzogtum nennt sich nun Anhalt-Dessau-Köthen. Heute ist Dessau Regierungsbezirk des Bundeslandes Sachsen-Anhalt und umfasst die Landkreise Anhalt-Zerbst, Bernburg, Bitterfeld, Köthen und Wittenberg.Von dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Dessauer Residenzschloss ist lediglich der Westflügel, der "Johannbau", erhalten geblieben, der seit 1990 denkmalgerecht wiederhergestellt wird. Das Bauhaus Dessau zählt seit 1996 zum Weltkulturerbe der UNESCO, im Jahr 2000 folgt das Dessau-Wörlitzer Gartenreich.

Verwendete Literatur