III Dokumentation und Datensätze

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Regierungsbezirke

 

Regierungsbezirk Allenstein (1905-1914)

 

Geschichte/Verwaltung/Geographie

Der preußische Regierungsbezirk Allenstein wird auf Grundlage der Verordnung zur "nachhaltigen kulturellen und wirtschaftlichen Förderung Masurens" vom 28. März 1905 als Mittelbehörde der Provinz Ostpreußen aus Teilen der Regierungsbezirke Königsberg und Gumbinnen neu eingerichtet, Regierungssitz ist Allenstein. Im Norden grenzt der Regierungsbezirk an die ebenfalls zu Ostpreußen gehörenden Regierungsbezirke Königsberg und Gumbinnen, im Osten und Süden an das Kaiserreich Russland und im Westen an den zur preußischen Provinz Westpreußen gehörenden Regierungsbezirk Marienwerder.

Der Regierungsbezirk Allenstein setzt sich zusammen aus den zuvor zum Regierungsbezirk Königsberg gehörenden Kreisen Allenstein, Neidenburg, Ortelsburg, Osterode und Rößel sowie den zuvor zum Regierungsbezirk Gumbinnen gehörenden Kreisen Johannisburg, Lötzen, Lyck und Sensburg. Ab 1910 bildet die Stadt Allenstein einen eigenen Stadtkreis.

Für den Regierungsbezirk Allenstein wird 1905 eine Fläche von 11.711km² (GIS-Wert) angegeben. Der Regierungsbezirk gehört zur norddeutschen Tiefebene und teilt sich in die Gebiete Masuren, mit der Masurischen Seenplatte, südliches Ermland und Oberland. Der Masurische Höhenzug zieht sich längs durch den Regierungsbezirk. Hauptfluss des Regierungsbezirks ist die Alle. Im Westen fließt die Drewenz.

 

Bevölkerung/Wirtschaft/Verkehr

Im Gründungsjahr 1905 liegt die Einwohnerzahl des Regierungsbezirks Allenstein bei 533.264. Bis 1914 steigt sie geringfügig auf 553.000 an.

Haupterwerbszweige des Regierungsbezirks sind Ackerbau und Viehzucht, die durch staatliche Meliorationsmaßnahmen wie Verbesserung des Bodens und der Anbaumethoden sowie Flussregulierung und Aufforstung sukzessive verbessert werden. Im Ackerbau überwiegen Roggen-, Hafer- und Kartoffelanbau. Der Anteil der Waldgebiete liegt bei rund 40%. Die bedeutende Fischerei hat ihren Mittelpunkt im masurischen Lötzen. In der Viehzucht überwiegen Schafe und Ziegen sowie - bedingt durch die Tausenden kleinen Seen - Gänse und Enten. Lehm und Ton finden sich in den Kreisen Lyck, Lötzen, Sensburg und Ortelsburg, Kiesgruben gibt es in Lötzen und Lyck. Lohnenswerte Steinvorkommen liegen in Lötzen, Johannisburg und Lyck. Braunkohle ist zwar vorhanden, lässt sich aber durch die geringe Tiefe von nur 1-2m und die Zerstückelung kaum kommerziell nutzen. Die Industrien dienen in der Hauptsache der Verarbeitung der landwirtschaftlichen Produkte.

Im Jahre 1910 bestehen die wichtigsten Chausseeverbindungen zwischen dem Regierungsbezirk Allenstein und den Handelszentren Königsberg, Memel, Tilsit und Insterburg auf einer Gesamtlänge von 423,5km. Bis 1912 sind weitere 182km fertiggestellt. Das Gebiet des Regierungsbezirks Allenstein erhält erst mit dem Bau der so genannten ostpreußischen Südbahn Königsberg-Lötzen-Lyck-Prostken 1868/70 Eisenbahnanschluss. Die Bezirkshauptstadt Allenstein wird sogar erst 1873 mit Thorn und Insterburg verbunden. Der systematische Ausbau eines Nebenstreckennetzes zu diesen beiden Hauptlinien zieht sich von 1883 bis 1915 hin. Schiffbar sind einzig die Masurischen Wasserstraßen mit Häfen in Angerburg, Lötzen, Nikolaiken und Johannisburg.

 

Kultur/Territoriale Entwicklung ab 1914/Kulturerbe

Geistige und kulturelle Zentren des Regierungsbezirks sind die Bezirkshauptstadt und "Hauptstadt" des Ermlands Allenstein sowie die "Hauptstadt" des Masurenlandes Lyck. 1516-1519 residierte der Astronom Nikolaus Kopernikus (1473-1543) als Verwalter des ermländischen Domkapitels auf der Burg Allenstein. Eine astronomische Tafel auf dem Putz des Kreuzgangs ist als Zeugnis erhalten.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs tritt der Regierungsbezirk Allenstein gemäß den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages vom 18. Juni 1919 einen Teil des Kreises Neidenburg, das so genannte Soldauer Gebiet, an Polen ab. Nach der Volksabstimmung vom 11. Juli 1920 verbleibt der Regierungsbezirk mit Ausnahme der an Polen abzutretenden Grenzorte Groschlen, Klein Nappern und Klein Lobenstein des Kreises Osterode bei Preußen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird der Regierungsbezirk Allenstein unter polnische Verwaltung gestellt und bildet später die Woiwodschaft Allenstein (poln. Olsztyn). 1999 wird die Woiwodschaft Allenstein im Zuge einer Verwaltungsreform aufgelöst und die Stadt Allenstein Hauptstadt der neugebildeten Woiwodschaft Ermland-Masuren.

Die Burg des ermländischen Domkapitels in Allenstein ist heute Sitz des Museums für Ermland und Masuren. Der 1926 in Lyck (poln. Elk) geborene Schriftsteller Siegfried Lenz setzt sich in seinem Roman "Heimatmuseum" (1978) mit seiner Heimatstadt (im Roman Lucknow genannt) und dem Gebiet Masuren ebenso auseinander wie mit der Problematik von Nationalismus und Vertreibung sowie der Politik der Vertriebenverbände.

 

Verwendete Literatur