III Dokumentation und Datensätze

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Stadt Berlin (1881-1914)

 

Gebiet

Die preußische Stadt Berlin befindet sich in Ostdeutschland und bildet ein geschlossenes Gebiet, das von der preußischen Provinz Brandenburg umgeben ist. Bis 1821 ist die Stadt Berlin Regierungsbezirk der preußischen Provinz Brandenburg und ab 1881 selbständige preußische Provinz. Im HGIS wird Berlin in dieser Zwischenzeit als statistischer Bezirk weitergeführt. Die Stadt Berlin ist Hauptstadt des Königreichs Preußen. Zudem ist sie von 1867 bis 1870 Sitz der Bundeseinrichtungen des Norddeutschen Bundes und ab 1871 Hauptstadt des Deutschen Reichs.

 

Geographie/Topographie

Für den Regierungsbezirk Berlin wird 1821 eine Fläche von 1,27 Quadratmeilen angegeben. Das eigentliche Stadtgebiet Berlins umfasst rund 0,3 Quadratmeilen. Der GIS-Wert des Stadtgebiets beträgt 14,76km². Zum 1. Januar 1861 werden die Vororte Moabit und Wedding, der nördliche Teil Schönebergs sowie der nördliche Teil Tempelhofs eingemeindet. Das Stadtgebiet vergrößert sich auf 1,15 Quadratmeilen bzw. 70km² (GIS-Wert). 1878 kommen Teile Lichtenbergs und 1881 der Tiergarten mit Schloss Bellevue hinzu.
Berlin liegt in eiszeitlich geprägter Landschaft im Warschau-Berliner-Urstromtal, das im Süden durch die Hochfläche des Teltow und im Norden durch die des Barnim begrenzt wird. Die Spree durchfließt die Stadt von Südosten nach Nordwesten, gabelt sich und nimmt von Norden her die Panke auf. Im westlich von Berlin gelegenen Spandau mündet die Spree in die Havel. Das Klima ist gemäßigt, im Winter zeitweise rau.

 

Geschichte und Verwaltungsentwicklung

Die von den Markgrafen von Brandenburg an der Spree gegründete Stadt Berlin wurde 1244 erstmals schriftlich erwähnt. Seit 1307 bildete Berlin mit der bereits 1237 urkundlich erwähnten, auf dem anderen Spreeufer gelegenen Stadt Cölln eine "Doppelstadt" mit einem gemeinsamen Rat für politische und militärische Fragen, aber getrennter Kommunalverwaltung. Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts bauten die Hohenzollern Berlin-Cölln zu ihrer brandenburgischen Hauptresidenz aus. Nach der außerhalb des Heiligen Römischen Reichs in Königsberg vollzogenen Krönung Kurfürst Friedrichs III. (1657-1713) zum König Friedrich I. in Preußen 1701 wurde die Doppelstadt Berlin-Cölln politisches und kulturelles Zentrum des Königreichs Preußen. 1709 erfolgte die Vereinigung Berlins und Cöllns sowie der mit Stadtrechten ausgestatteten Vorstädte Friedrichswerder, Dorotheen- und Friedrichstadt zur königlichen Residenz Berlin. Von 1815 bis 1821 bildet Berlin einen Regierungsbezirk der preußischen Provinz Brandenburg. Nach dessen Auflösung zum 1. Januar 1822 behält Berlin bis 1875 einen den Kreisen gleichgestellten Status innerhalb des Regierungsbezirks Potsdam. Von 1875 bis 1881 bildet Berlin erneut einen eigenen Regierungsbezirk.
Mit Wirkung zum 1. April 1881 scheidet Berlin aus der Provinz Brandenburg aus und bildet einen eigenen Verwaltungsbezirk mit Provinzstatus. Das Oberpräsidium, das Konsistorium, das Provinzialschulkollegium und das Medizinalkollegium der Provinz Brandenburg bleiben aber weiterhin für Berlin als höhere Instanz zuständig. Das Polizeipräsidium ist für Berlin die königliche, der Magistrat die städtische Behörde. Der Magistrat besteht aus einem Oberbürgermeister, einem Bürgermeister, 15 besoldeten und 17 unbesoldeten Stadträten. Die Zahl der Stadtverordneten beträgt 141.

 

Bevölkerung/Wirtschaft/Verkehr

Im Jahr 1820 liegt die Einwohnerzahl der Stadt Berlin bei 202.641. Bis 1850 verdoppelt sie sich auf 427.005. Im Jahre 1905 beträgt die Einwohnerzahl Berlins 2.040.148 und ist damit viermal so hoch wie 1850 und zehnmal so hoch wie 1820. Berlin ist die bevölkerungsreichste Stadt des Deutschen Reichs.

Haupterwerbszweig der Bevölkerung Berlins ist die Industrie, in der 1895 über 50% der Erwerbstätigen beschäftigt sind. Begünstigt durch die starke Nachfrage des preußischen Heeres nach Uniformtuchen, ist Berlin bereits seit dem 18. Jahrhundert ein Zentrum der Textilindustrie. Im 19. Jahrhundert liegt der Schwerpunkt mit 3.452 Webstühlen im Jahre 1828 in der gewerblichen Baumwollweberei.
Angeregt durch den Eisenbahnbau siedeln sich Fabriken zur Metallverarbeitung sowie Eisengießereien an. Auf dem Areal um die Chausseestraße vor dem Oranienburger Tor entsteht ab 1840 ein ganzer Komplex von Metallverarbeitungs- und Maschinenbaubetrieben, der im Volksmund "Feuerland" genannt wird. 1837 siedelt sich hier auch die Firma von August Borsig (1804-1854) an, deren Lokomotiven lange vor 1871 deutschland- und europaweit einen hervorragenden Ruf genießen. Die Stahlproduktion in Berlin liegt 1854 bei 6.689t und erreicht mit 9.920t im Jahre 1866 einen Höchstwert.
Zu den in ihrer Bedeutung weit über die preußische Hauptstadt hinausreichenden Industriebetrieben zählen u.a. das 1847 durch den Telegrafeningenieur Werner Siemens (1816-1892) und den Apparatebauer Johann Georg Halske (1814-1890) ins Leben gerufene Unternehmen Siemens und Halske, das sich zunächst bei der Entwicklung von Techniken zur Verlegung von Tiefseekabeln und von elektrischen Motoren einen Namen macht und 1881 die erste elektrische Eisenbahn der Welt vorstellt. 1882 gründet Emil Rathenau (1838-1915) mit der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft (AEG) ein weiteres führendes Unternehmen der deutschen Elektroindustrie in Berlin. Internationale Geltung erlangen in der Chemiebranche das seit 1851 bestehende Unternehmen von Ernst Schering (1824-1889) und die 1897 am Ostrand Berlins begründete Agfa (Aktien-Gesellschaft für Anilinfabrikation).

Zwischen Berlin und Potsdam entsteht 1838 die erste preußische Eisenbahnlinie. Durch den Ausbau des Streckennetzes in sämtliche Richtungen entwickelt sich Berlin bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zum wichtigsten deutschen Eisenbahnknotenpunkt. Die sieben Hauptbahnlinien, die jeweils über einen eigenen Kopfbahnhof verfügen, werden erst 1882 durch die Stadtbahn verbunden, die auch Anschluss an die 1877 fertiggestellte Ringbahn um Berlin herum hat. Im Jahre 1902 wird die elektrische Hochbahn eröffnet, die in einer Länge von 10 km den Süden der Stadt von der Warschauer Brücke bis zum Zoologischen Garten durchquert.
Die Spree als schiffbare natürliche Wasserstraße wird westlich über den 2km langen Luisenstädtischen Kanal mit dem 10,3km langen Landwehrkanal verbunden. Östlich der Spree führt der Spandauer Schifffahrtskanal in einer Länge von 12,05km zum Ausgang des Tegeler Sees in die Havel.

 

Kultur und Bildung

Das wissenschaftliche Zentrum bildet die 1810 auf Initiative des preußischen Reformers und Gelehrten Wilhelm von Humboldt (1767-1835) gegründete Berliner Universität, die ab 1829 zu Ehren ihres Gründers König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) den Namen Friedrich-Wilhelms-Universität trägt. Bedeutende Lehrer der Universität sind neben den Gründungsprofessoren Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) und Friedrich Schleiermacher (1768-1834) u.a. der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831), der Historiker Leopold von Ranke (1795-1886), der Physiker Hermann von Helmholtz (1821-1894) sowie die Mediziner Rudolf Virchow (1821-1902) und Robert Koch (1843-1910). 1902 gibt es an höheren Schulen die königliche Bergakademie, die königliche landwirtschaftliche Hochschule und die königliche akademische Hochschule für die bildenden Künste sowie die tierärztliche Hochschule, die königliche Hochschule für Musik und das neue Seminar für orientalische Sprachen. Zudem befinden sich in Berlin 15 Gymnasien, acht Realgymnasien, zwei Oberrealschulen und 13 Realschulen sowie 11 höhere Knabenschulen, ein Frauengymnasium, acht öffentliche und 45 private höhere Mädchenschulen, acht mittlere sowie 255 Gemeindeschulen.
Die Mitte Berlins ist seit der ersten Jahrhunderthälfte geprägt von dem künstlerischen Schaffen des Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781-1841), nach dessen Plänen u.a. die Neue Wache (1816-1818), das Nationaldenkmal auf dem Kreuzberg (1818-1821), das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt (1819-1821), Bebauungsplan und Altes Museum (1823-1830) auf der Museumsinsel, die Friedrichswerdersche Kirche (1824-1830) und die Bauakademie (1832-1835) errichtet werden.
Die Salons von Rahel Varnhagen (1771-1833) und Henriette Herz (1764-1847), in denen sich literarisch, wissenschaftlich und politisch Interessierte treffen, erlangen ebenso Berühmtheit wie der Kreis um Bettina von Arnim (1785-1859). Nach der Reichsgründung prägen die Schriftsteller Theodor Fontane (1819-1898) und Gerhart Hauptmann (1862-1946) sowie die Maler Adolph von Menzel (1815-1905) und Anton von Werner (1843-1915) das kulturelle Leben der Stadt. Mit Max Liebermann (1847-1935), Walter Leistikow (1865-1908) und Käthe Kollwitz (1867-1945) bahnen sich um die Jahrhundertwende neue Stilrichtungen in der Kunst den Weg.

 

Territoriale Entwicklung ab 1914/Kulturerbe

Per Gesetz vom 27. April 1920 und mit Wirkung zum 1. Oktober 1920 werden die bisherigen Städte Berlin, Charlottenburg, Lichtenberg, Köpenick, Neukölln, Schöneberg, Spandau und Wilmersdorf sowie 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke zu Groß-Berlin vereinigt und in 20 Bezirke gegliedert. Mit einer Fläche von 878km² und 3,8 Millionen Einwohnern ist Berlin damit nach der Einwohnerzahl drittgrößte und nach der Fläche größte Stadt der Welt.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird Berlin 1945 in vier Besatzungszonen aufgeteilt und bis 1948 von Frankreich, Großbritannien, der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika gemeinsam verwaltet. Seit Juni 1948 ist Berlin politisch und mit dem Mauerbau 1961 auch faktisch eine geteilte Stadt. 1949 erklärt die DDR Ost-Berlin zu ihrer Hauptstadt. West-Berlin ist laut eigener Verfassung von 1950 ein Land der Bundesrepublik, wobei die Hoheitsgewalt von den drei westlichen Alliierten ausgeübt wird. Dementsprechend hat West-Berlin ein eigenes Abgeordnetenhaus und einen eigenen Senat mit einem Regierenden Bürgermeister an der Spitze, entsendet aber nur Vertreter ohne volles Stimmrecht in den Bundesrat.
Mit dem Beitritt der Länder der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland entsteht das Land Berlin am 3. Oktober 1990 wieder neu, die bisherige Verfassung West-Berlins gilt nun für die gesamte Stadt. Mit der Wiedervereinigung wird Berlin erneut deutsche Hauptstadt und per Bundestagsbeschluss vom 20. Juni 1991 auch Sitz des Bundestages und der Bundesregierung. Der Zusammenschluss Berlins und Brandenburgs zu einem Bundesland scheitert 1996 an einer Volksabstimmung.
Heute hat Berlin eine Gesamtfläche von 891,82km² und 3.395.189 Einwohner zum Jahresende 2005.
Während des Zweiten Weltkriegs werden weite Teile Berlins zerstört. Das schwer beschädigte Stadtschloss wird 1950 gesprengt. Mit Ausnahme der Bauakademie sind die Schinkel-Bauten in der Stadtmitte um den Boulevard Unter den Linden erhalten. Die von Schinkel im Stil des Klassizismus und im Geist antiker Tempel entworfene Museumsinsel wird 1999 in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen. Die Friedrich-Wilhelms-Universität trägt seit 1949 den Namen der Brüder Humboldt, die sich um die Universität verdient gemacht haben. Der Geschichte der Stadt widmen sich dreizehn unter dem Dach der Stiftung Stadtmuseum Berlin vereinigte Museen. Stammhaus ist das 1874 als "Märkisches Provinzial-Museum" gegründete Märkische Museum am Köllnischen Park.

 

Verwendete Literatur