Die preußische Provinz Posen gehört zu den östlichen Gebieten des Königreichs Preußen. Mit Ausnahme der Jahre 1848-1851, in denen die Gebietsteile mit überwiegend deutscher Bevölkerung, die westlich einer mehrmals verschobenen Demarkationslinie lagen, aufgenommen wurden, war sie nicht Teil des Deutschen Bundes. Die Provinz Posen bildet ein geschlossenes Gebiet und grenzt im Norden an die preußische Provinz Westpreußen, im Osten an das in Personalunion mit Russland verbundene Königreich Polen, im Süden an die preußische Provinz Schlesien und im Westen an die preußische Provinz Brandenburg. Hauptstadt und Sitz des Oberpräsidenten ist die Stadt Posen.
Für die Provinz Posen wird 1821 eine Fläche von 548 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 29.536km².Die Provinz Posen liegt zwischen zwei Landrücken im Norddeutschen Tiefland. Der Norddeutsche Landrücken tritt mit recht hohem Abfall von Norden her an das Netzetal heran, während Ausläufer des Märkisch-Schlesischen Landrückens von Süden her in die Provinz stoßen. Die höchste Erhebung findet sich mit 247m in der südöstlichen Spitze bei Ostra Gora. Rund 20% der Provinz sind bewaldet. Der innere Teil der Provinz ist eine Platte von durchschnittlich 80-120m Höhe, durch welche die Warthe in einem breiten Tal zieht, und in der der 40km lange und 8km breite Obrabruch eine tiefe Einsenkung bildet.
Die Hauptflüsse der Provinz Posen sind Warthe und Netze sowie als nördlicher Grenzfluss die Weichsel mit der Brahe. Zudem fließen Küddow und Drage der Netze zu und Welna, Prosna und Obra der Warthe. In der Provinz gibt es zahlreiche Landseen, die größten sind Goplo-, Skorzenciner und Powidzer See an der oberen Netze.
Das Klima ist eher kühl und im Winter sehr rau. Es fällt wenig Niederschlag.
Im 10. Jahrhundert war Posen an der Warthe Hauptsitz der Herzöge von Polen.1779/93 ging Posen an Preußen über. Nach dem Frieden von Tilsit 1807 wurde unter der Ägide Napoleons aus den Erwerbungen Preußens in der zweiten und dritten Teilung Polens das Herzogtum Warschau gebildet, das 1813 von Russland besetzt und auf dem Wiener Kongress 1815 zwischen Russland und Preußen aufgeteilt wurde. Aus diesem Gebiet, mit Ausnahme des an die preußische Provinz Westpreußen angegliederten Kulmer Landes und Thorns, bildete Preußen die "Provinz Großherzogtum Posen". Die Bezeichnung "Großherzogtum" ist ebenso wie die Benennung Fürst Anton Radziwills (1775-1833) aus dem polnischen Hochadel als Statthalter neben dem Oberpräsidenten eine Konzession an die zu über 60% polnische Bevölkerung.
Die Provinz Posen gliedert sich in die Regierungsbezirke Posen und Bromberg. In den seit 1824 in Posen tagenden Provinziallandtagen dominiert ebenfalls der polnische Adel. Von den 48 Mitgliedern vertreten 24 die Ritterschaft, 16 die Städte und acht die Gutsbesitzer und Bauern. Nach dem Aufstand in Kongresspolen 1830, der vom Adel der Provinz Posen aktiv unterstützt wurde, wird dessen politischer Einfluss zurückgedrängt und das Amt des Statthalters abgeschafft. Der Plan eines polnischen Aufstands gegen die preußische Regierung scheitert 1846 ebenfalls.
Nach der Reichsgründung 1871 verschärft sich der deutsch-polnische Gegensatz. Als Amtssprache wird durch das preußische Gesetz vom 28. August 1876 in der Staats- und Selbstverwaltung ausschließlich Deutsch eingeführt, und mit dem Reichsgesetz über die Gerichtsorganisation vom 28. Januar 1877 auch in der Justiz. Als Maßnahme gegen die wachsende polnische Nationalbewegung wird zudem mit dem Ansiedlungsgesetz vom 26. April 1886 eine mit 100 Millionen Mark ausgestattete Ansiedlungskommission eingerichtet, die polnischen Großgrundbesitz aufkaufen und darauf deutsche Bauern ansiedeln soll. Diese Politik scheitert weitgehend an der aktiven polnischen Gegenwehr. Bis zur Auflösung der Provinz am 20. Januar 1920 bleibt das Territorium der Provinz Posen unverändert.
Im Jahr 1820 liegt die Einwohnerzahl der Provinz Posen bei 930.946. Bis 1850 steigert sie sich um 48% auf 1.373.192. In der zweiten Jahrhunderthälfte nimmt die Bevölkerungszahl um weitere 46% auf 2.001.200 im Jahre 1906 zu. Der Anteil der polnischen Bevölkerungsgruppe liegt 1860 und 1905 gleichbleibend bei rund 60%.
Haupterwerbszweig der Bevölkerung ist die Landwirtschaft. Neben dem Getreide- und Kartoffelanbau sind Hopfen- und Zuckerrübenanbau von großer Bedeutung. Im Südwesten der Provinz bei Bomst wird Weinbau betrieben. Nach der Viehzählung von 1904 gibt es in der Provinz Posen 268.580 Pferde, 901.060 Rinder, 470.871 Schafe, 937.078 Schweine und 142.966 Ziegen. Zur Pflege der Pferdezucht besteht ein Landgestüt in Zirke. An Rostoffen gibt es Salz bei Hohensalza und Wapno sowie Gips, Kalk, Braunkohlen, Raseneisenerz und Torf. Der Braunkohlenabbau liegt 1855 bei 1.219t und erreicht 1901 mit 63.251t den Höchstwert. Die Erzvorkommen sind gering: 1857 werden 1.632t Eisenerz abgebaut und im Jahr darauf wird mit 4.004t der Höchstwert des Abbaus erreicht.
Die Provinz Posen ist kaum industrialisiert. Es gibt einige Maschinenfabriken, Tuchmanufakturen, Ziegeleien, Mahlmühlen, Zuckerfabriken, Schnupftabakfabriken sowie Bier- und Branntweinbrennereien. Bedeutend ist die Leineweberei mit 33.357 im Nebenerwerb betriebenen Webstühlen im Jahre 1843. Die Stahlproduktion ist verschwindend gering und erreicht 1853 mit 1.655t ihren Höchstwert. Handelskammern befinden sich in Posen und Bromberg.
Die Eisenbahn hält mit Eröffnung der Strecke Posen-Kreuz-Stettin im Jahre 1848 Einzug. Zwischen 1851 und 1857 entsteht die Ostbahn, die von Küstrin über Kreuz und Bromberg ins westpreußische Dirschau führt. 1856 folgt die Strecke Posen-Breslau, und 1870 erhält Posen mit der Verbindung nach Frankfurt/Oder den direkten Anschluss an Berlin. Im Betriebsjahr 1904 umfasst das Eisenbahnnetz 2.100km. Schiffbare Wasserstraßen sind Netze mit Bromberger Kanal und Warthe. Binnenhäfen finden sich in Bromberg, Posen und Schwerin an der Warthe.
Nach Gründung des Deutschen Reichs 1871 verschärft sich in der Provinz Posen der
deutsch-polnische Gegensatz in der Sprachen- und Schulpolitik. Per Ministerialerlass vom
16. Oktober 1872 wird an den höheren Schulen die deutsche Unterrichtssprache auch in dem
bis dahin polnisch erteilten Religionsunterricht eingeführt. Am 27. Oktober 1873 macht ein
Erlass des Oberpräsidenten Deutsch zur Unterrichtssprache für alle Kinder in den Volksschulen.
Das bis dahin in den Volksschulen unterrichtete Polnisch soll auf die Rolle einer Hilfssprache
reduziert werden und lediglich bei Bedarf Unterrichtsgegenstand und Sprache des
Religionsunterrichts für polnische Kinder sein. Der katholische Religionsunterricht ist in den
Volksschulen somit der einzige muttersprachliche Unterricht für polnische Kinder und wird daher
von polnischer Seite gegen alle Maßnahmen zu seiner schrittweisen Beseitigung erbittert verteidigt;
1901 und 1906/07 auch mit dem Mittel des Schulstreiks.
Die Einrichtungen der wissenschaftlichen Bildung außerhalb des Schulwesens werden erst seit Ende
des 19. Jahrhunderts, in Verbindung mit der Politik, das Deutschtum zu stärken, ausgebaut.
1894 werden in Posen eine Landesbibliothek und ein Provinzialmuseum errichtet, wenige Jahre
später als Kaiser-Wilhelm-Bibliothek bzw. als Kaiser-Friedrich-Museum großzügig erweitert.
Bromberg erhält eine wissenschaftliche Stadtbibliothek und ein großes Forschungsinstitut für
Landwirtschaft. Anstelle einer Volluniversität wird in Posen 1903 eine Akademie gegründet, die
in erster Linie Fortbildungsaufgaben auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften wahrnimmt.
Zudem gibt es im Jahre 1905 in der Provinz Posen 17 Gymnasien, ein Realgymnasium, eine
Oberrealschule, zwei Progymnasien, eine Landwirtschaftsschule, neun Schullehrerseminare und
ein Lehrerinnenseminar.
Es gibt zahlreiche Vereine, die sich mit der Geschichte und Landeskunde der Provinz beschäftigen.
Seit 1837 besteht der "Naturwissenschaftliche Verein", seit 1858 die polnische
"Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften", seit 1880 die
"Historische Gesellschaft für den Netzedistrikt" in Bromberg, seit 1885 die
"Historische Gesellschaft" für die Provinz Posen, deren Zeitschrift das führende landesgeschichtliche Organ wird. 1901 wird in Posen, und 1902 in Bromberg eine "Deutsche Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft" als Dachorganisation für die kulturell tätigen Vereine mit dem Ziel begründet, ein deutsches Volksbildungswesen in der ganzen Provinz aufzubauen.
Im Zuge des polnischen Aufstands im November 1918 werden weite Teile der Provinz Posen besetzt. Gemäß den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages vom 28. Juni 1919 wird die Provinz Posen mit Wirkung zum 10. Januar 1920 aufgelöst und mit Ausnahme weniger kleiner Randgebiete Polen angegliedert. Die bei Preußen verbliebenen Gebietsteile, der Kreis Schwerin an der Warthe sowie Teile der Kreise Bomst, Fraustadt und Meseritz, werden mit Wirkung zum 1. Juli 1922 zusammen mit den bei Preußen verbliebenen südwestlichen Teilen der Provinz Westpreußen zur Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen zusammengelegt. Die Reste der Kreise Krotoschin, Lissa und Rawitsch werden in den schlesischen Regierungsbezirk Breslau eingegliedert. Von 1939 bis 1945 ist Posen deutsch besetzt und bildet den Reichsgau Wartheland. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges fällt das Gebiet wieder an Polen. Der erste gesamtdeutsche Bundestag erkennt im Deutsch-Polnischen-Grenzvertrag vom 14. November 1990 endgültig die polnische Westgrenze an und gibt damit alle Ansprüche auf die ehemaligen Ostgebiete des Deutschen Reichs auf. Die 1903 in Posen gegründete königliche Akademie wird 1919 in die bis heute bestehende Universität Posen, die sich seit 1955 Adam Mickiewicz-Universität nennt, umgewandelt.
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