III Dokumentation und Datensätze

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Provinz Pommern (1820-1914)

 

Gebiet

Die preußische Provinz Pommern liegt in Norddeutschland und bildet mit Ausnahme der im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin gelegenen Exklave Zettemin ein geschlossenes Gebiet. Zur Provinz gehören zudem die Ostsee-Inseln Zingst, Hiddensee, Ummanz, Rügen, Vilm, Ruden, Greifswalder Oie, Usedom, Wollin, Kricks mit der kleinen Insel bei Kricks sowie Griestow vor Cammin.Die nördliche Grenze Pommerns bildet die Ostsee. Im Osten liegt die preußische Provinz Westpreußen. Im Süden schließt sich die preußische Provinz Brandenburg an. Im Westen befinden sich die Großherzogtümer Mecklenburg-Strelitz und Mecklenburg-Schwerin. Hauptstadt und Sitz des Oberpräsidenten ist Stettin.

 

Geographie/Topographie

Für die Provinz Pommern wird 1821 eine Fläche von 548 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 29.607km². Die Oder teilt das Gebiet der Provinz Pommern in das westlich der Oder gelegene Vorpommern und das östlich der Oder gelegene Hinterpommern. Die Küstenebene Pommerns gehört zu den am niedrigsten gelegenen Gebieten Deutschlands. Das Gebiet der Pommerschen Seenplatte, die Insel Rügen und vor allem die Ostpommersche Platte, die zum Baltischen Landrücken gehört, sind hingegen sehr hügelig. Höchste Erhebung ist der 256m hohe Schimmritzberg in Ostpommern.
Der Hauptfluss der Provinz, die Oder, bildet bei Stettin den Dammschen See sowie das Pommersche Haff, aus dem die drei Arme Peene, Swine und Dievenow zur Ostsee abfließen. Zum Odersystem gehören des Weiteren die Ihne, Ucker und Peene. Die Ostsee bildet an der Küste einige Meerbusen, so bei Swinemünde die Pommersche Bucht oder den Greifswalder Bodden bei Rügen. In der Provinz Pommern finden sich zahlreiche Seen. Strandseen sind der Leba-, Gardesche, Vietzker, Vitter, Bukowsche, Jamundsche und Kampsee. Im Tiefland liegen der Kummerowsee an der Peene, der Dammsche-, Plöne- und der Madüesee. Die wichtigsten Seen der Pommerschen Seenplatte sind der Wothschwien-, Enzig-, Große Lübbe-, Dratzig-, Pielburger, Vilm-, Virchow- und Papenzinsee. Die Küste Hinterpommerns ist auf ihrer ganzen Länge von 427km mit Sandhügeln oder Dünen besetzt. Nur 20% des Landes sind bewaldet. In der Umgebung von Stettin und auf Rügen ist das Klima am mildesten, in der Küstenlandschaft in Hinterpommern hingegen rauer.

 

Geschichte und Verwaltungsentwicklung

Der Name Pommern bedeutet wörtlich "am Meere gelegen" (po = bei, more = Meer), er wurde 1046 erstmals urkundlich erwähnt. Seit dem 12. Jahrhundert ist ein Herzogtum Pommern belegt, das in der Folgezeit mehrfach geteilt wurde und verschiedene Lehnsherren hatte. Seit 1679 gehören die östlich der Oder gelegenen Teile Pommerns und seit 1720 Vorpommern bis zur Peene mit Stettin, Usedom und Wollin dauerhaft zu Preußen. Auf dem Wiener Kongress von 1815 tauscht Preußen mit dem dänischen König das Herzogtum Lauenburg gegen Schwedisch Vorpommern ein und erhält damit die Gebiete Stralsund, Rügen, Franzburg-Barth, Grimmen, Tribsee, Loitz, Wolgast und Greifswald hinzu.
Die im Zuge der "Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden" vom 30. April 1815 gebildete Provinz Pommern besteht zunächst nur aus den Regierungsbezirken Köslin und Stettin. 1818 wird aus dem Gebiet des ehemaligen Schwedisch Vorpommern der Regierungsbezirk Stralsund gebildet. Die Pommerschen Provinzialstände bestehen aus 49 Mitgliedern, davon 25 aus der Ritterschaft, 16 Vertreter der Städte und acht Vertreter der Gutsbesitzer und Bauern. Versammlungsort der Stände ist Stettin. Mit dem Abkommen vom 23. August 1873 einigen sich Preußen und Mecklenburg-Schwerin nach jahrelangen Differenzen auf die Teilung des Gutes Wolde an der mecklenburgisch-pommerschen Grenze. Per Gesetz vom 9. Juni 1874 wird ein Teil Woldes mit einer Fläche von 218ha und 163 Einwohnern dem pommerschen Regierungsbezirk Stettin angegliedert. Abgesehen von kleineren Grenzkorrekturen mit der preußischen Provinz Westpreußen kommt es bis 1914 zu keinen territorialen Veränderungen in der Provinz Pommern.

 

Bevölkerung/Wirtschaft/Verkehr

Im Jahr 1820 liegt die Einwohnerzahl der Provinz Pommern bei 744.298. Bis 1850 steigert sie sich um 64% auf 1.220.597. In der zweiten Jahrhunderthälfte ist das Bevölkerungswachstum nicht mehr so hoch, die Einwohnerzahl Pommerns steigert sich im Verhältnis zu 1850 nur noch um 38% auf 1.684.326 im Jahre 1905.

Die wichtigsten Wirtschaftszweige der Provinz sind Landwirtschaft, Viehzucht sowie in den Seestädten Handel, Schifffahrt, Fischerei und Schiffsbau. Im Ackerbau sind Weizen-, Roggen- und Kartoffelanbau vorherrschend. Garten- und Obstbau sind vornehmlich in der Gegend um Stettin (Stettiner Äpfel) und in Vorpommern angesiedelt. Nach der Viehzählung von 1904 gibt es in Pommern 218.799 Pferde, 731.117 Rinder, 1.113.686 Schafe, 1.061.845 Schweine und 94.482 Ziegen. Die Pferdezucht wird durch das Landgestüt zu Labes unterstützt. Umfangreich ist die Geflügelzucht, besonders in Hinterpommern (Gänse). Bedeutend ist auch die Fischerei auf Aale, Lachse, Neunaugen, Heringe und Flundern.
Die Provinz Pommern verfügt mit Ausnahme von Torf kaum über Bodenschätze; Braunkohlen und Eisenerz werden in sehr geringen Mengen abgebaut. Die Salzquellen in Kolberg und Greifswald werden nur noch für Solbäder genutzt. Die Industrie ist nur in Stettin und Umgebung bedeutend, wo große Maschinenbaufabriken, Schiffswerften, chemische und Zuckerfabriken sowie Ziegeleien angesiedelt sind. Große Bedeutung hat die Leineweberei mit 49.377 im Nebenerwerb betriebenen Webstühlen im Jahre 1849. Große Bedeutung hat hingegen der Handel, insbesondere der Seehandel über Stettin mit dem Hafen Swinemünde. Weitere Handelshäfen sind Stralsund, Greifswald, Wolgast, Anklam, Kolberg, Rügenwalde und Stolpmünde. Im Jahre 1905 zählt die pommersche Reederei 318 Seeschiffe mit 63.396NRT.

Bis 1850 ist die einzige schiffbare Binnenwasserstraße die Oder. Sukzessive werden Recknitz, Peene, Ihne und Uecker für den Schiffsverkehr ausgebaut. Von großer Bedeutung ist der Ausbau des Großschifffahrtsweges Berlin-Stettin, der am 17. Juni 1914 feierlich eröffnet wird. Mit Fertigstellung der Eisenbahnstrecke Berlin-Stettin 1843 erhält Stettin als erste pommersche Stadt Bahnanschluss. Erste innerpommersche Verbindung ist die 1846 fertiggestellte Strecke Stettin-Stargard. Hinterpommern mit den Städten Kolberg, Köslin und Belgard erhält erst 1859, und Vorpommern mit den Städten Pasewalk, Züssow, Wolgast, Stralsund und Greifswald erst 1863 Bahnanschluss. Ende 1904 bestehen in der Provinz Pommern 2.008km vollspurige Linien und 1.347km Kleinbahnlinien.

 

Kultur und Bildung

Die Provinz Pommern verfügt mit der seit 1465 bestehenden Universität Greifswald über die älteste preußische Universität, die im Jahre 1815 allerdings lediglich 70 Studenten und 11 ordentliche Professoren zählt. Seit 1818 ist an der Universität das erste praktisch-theologische Institut in Preußen angesiedelt. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt sich die Greifswalder medizinische Fakultät zu einer der führenden in Preußen, die bei der Anzahl der Studenten nur hinter der Berliner Universität zurücksteht. Das 1908 zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche eingerichtete Forschungsinstitut für Tierseuchen auf der Insel Riems entwickelt sich zu einer weltbekannten Forschungsstation. Zur Förderung der Bildung wird 1815 das "Konsistorium für das Kirchen- und höhere Schulwesen" eingerichtet und 1825 auch für Neuvorpommern die allgemeine Schulpflicht eingeführt. Um 1900 gibt es in der Provinz Pommern 19 Gymnasien, vier Realgymnasien, drei Progymnasien, drei Realprogymnasien, drei Realschulen, zwei Landwirtschaftsschulen, acht Schullehrerseminare, eine Kriegsschule (Anklam) sowie mehrere Gewerbe- und Navigationsschulen. Mit der Pommerschen Landesgeschichte beschäftigen sich die 1824 gegründete "Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde" und der 1900 gebildete "Rügisch-Pommersche Geschichtsverein".
Der in Greifswald geborene Landschaftsmaler Caspar David Friedrich (1774-1840) macht mit seinen Sepiazeichnungen und Ölbildern seit 1801 pommersche Landschaft und Baudenkmale über die Provinz hinaus bekannt und wird zu einem der bekanntesten Maler der Romantik. Der preußische Architekt und Maler Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) entwirft als Mitglied der Oberbaudeputation den 1824 zur Erinnerung an die Christianisierung errichteten Ottobrunnen bei Pyritz, im Zeitraum von 1806 bis 1840 daneben zahlreiche Profanbauten und Kirchen.
1834 wird in Stettin ein Kunstverein gegründet, der zunächst Ausstellungen veranstaltet, und 1857 eine städtische Bildergalerie einrichtet, die den Grundstock des 1913 erbauten Städtischen Museums auf der Hakenterrasse bildet. 1858 wird das Kulturhistorische Museum in Stralsund gegründet. 1849 erbaut die Stettiner Kaufmannschaft ein Schauspielhaus, das 1892 von der Stadt Stettin übernommen und umgebaut wird. Weitere Theater befinden sich in Stralsund, Greifswald, Stolp, zeitweise Kolberg, Köslin, Stargard und Schneidemühl.

 

Territoriale Entwicklung ab 1914/Kulturerbe

Aufgrund des Versailler Friedensvertrages treten nach Ende des Ersten Weltkrieges die Landkreise Bütow, Lauenburg und Stolp mit Wirkung zum 10. Januar 1920 kleine Gebietsteile an Polen ab. Mit Wirkung zum 1. Oktober 1932 wird der Regierungsbezirk Stralsund aufgelöst. Die ihm zugeordneten Kreise gehen an den Regierungsbezirk Stettin über. Im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes vom 1. April 1837 wird die früher in Mecklenburg-Schwerin gelegene pommersche Exklave Zettemin dem Land Mecklenburg zugeordnet. Nach Auflösung der preußischen Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen werden mit Wirkung zum 1. Oktober 1938 die fünf nördlichen Kreise als Regierungsbezirk Grenzmark Posen-Westpreußen der Provinz Pommern angegliedert.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wird Hinterpommern mit Stettin und Swinemünde unter polnische Verwaltung gestellt und in die Woiwodschaften Stettin und Köslin geteilt. 1999 werden im Zuge einer Verwaltungsreform Stettin und Köslin zur polnischen Woiwodschaft Westpommern mit der Hauptstadt Stettin vereinigt. Das Gebiet Vorpommern verbleibt in der sowjetischen Besatzungszone und bildet einen Teil des 1947 gegründeten Landes Mecklenburg, das ab 1949 zur Deutschen Demokratischen Republik gehört. 1952 wird Mecklenburg als Land aufgelöst und das ehemalige Gebiet Vorpommern auf die Bezirke Rostock und Neubrandenburg aufgeteilt. Am 3. Oktober 1990 entsteht das heutige Bundesland Mecklenburg-Vorpommern mit Schwerin als Hauptstadt. Es trägt das pommersche Erbe nun auch im Namen.
1967 richtet das Land Schleswig-Holstein, das 1954 die Landespatenschaft für Pommern übernommen hatte, im Rantzaubau des teilweise wieder aufgebauten Kieler Schlosses die "Stiftung Pommern" ein. Seit 1971 betreut die Stiftung Pommern im Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz einen Teil der Gemälde und Graphiken des früheren Städtischen Museums in Stettin, die 1945 auf die Veste Coburg ausgelagert waren. Das 1996 eingerichtete Pommersche Landesmuseum in Greifswald widmet sich in enger Kooperation mit polnischen und skandinavischen Einrichtungen der Geschichte, Kultur und Kunst Pommerns. 1999 übernimmt es die Bestände der im Jahre 2000 aufgelösten Stiftung Pommern. Die Altstadt der Hansestadt Stralsund wird im Jahre 2002 gemeinsam mit der Altstadt Wismars in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen.

 

Verwendete Literatur